Paviane leben in hierarchisch organisierten Gruppen zusammen. Doch die Entscheidung darüber, wohin die Gruppe zieht wird nicht von den ranghöchsten Gruppenmitgliedern bestimmt, sondern demokratisch beschlossen. Das haben Wissenschaftler nun herausgefunden. Dazu erfassten die Forscher mit Hilfe von GPS-Geräten sekundengenau die Bewegungen aller Mitglieder einer Affengemeinschaft. So konnten sie beobachten, wie die Affen entscheiden, in welche Richtung sich die Gruppe bewegt. Dabei wird der Entscheidungsprozess von einzelnen Tieren eingeleitet, die eine Richtung vorschlagen. Gibt es geteilte Meinungen, dann schließen sich die unentschiedenen Affen der Mehrheit an – ganz demokratisch und unabhängig davon, welche Richtung die dominanten Tiere wählen.
Anubispaviane sind unglaublich flink. Es ist nahezu unmöglich, ihnen über längere Zeit zu folgen und sie bei ihren Entscheidungen, wohin sie ziehen wollen zu beobachten. Deswegen war es Forschern bisher nicht gelungen, herauszufinden, wie die Tiere mit Interessenkonflikten umgehen und wer in den hierarchisch organisierten Gruppen entscheidet, wo es lang geht. „Das Faszinierende an Pavianen ist, dass sie sich zusammen fortbewegen und deshalb auf eine gemeinsame Richtung einigen müssen“, erklärt Iain Couzin vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell.
Die Forscher statteten jedes einzelne Tier mit GPS-Sendern aus und dokumentierten ihre Bewegungen. Mithilfe eines von den Forschern entwickelten Algorythnus werteten sie die Daten aus. Dadurch konnten sie ermitteln, wie sich die Affen bei ihren Streifzügen durch die kenianische Savanne für eine Laufrichtung entschieden. Einige Individuen schlugen einen Weg vor, indem sie sich von der Gruppe entfernten. Je mehr dieser Initiatoren zielstrebig die gleiche Richtung einschlugen, umso wahrscheinlicher war es, dass die restliche Gruppe ihnen folgte. Den Pavianen war dabei egal, in welche Richtung sich das ranghöchste Tier bewegte. „Das Alpha-Tier bestimmt also nicht diktatorisch, sondern die Gruppe trifft demokratische Entscheidungen“, erklärt Couzin.
Oft kam es vor, dass etwa gleich viele Tiere in unterschiedliche Richtungen wollten. Dann kam es auf den Winkel zwischen den einzelnen Untergruppen an. War dieser kleiner als 90 Grad, dann wählten die nachfolgenden Affen den Mittelweg. Bei einem größeren Winkel entschieden sie sich dagegen für die Richtung, die von der Mehrheit bevorzugt wurde.
Dieses Verhalten hatte Iain Couzin schon vor zehn Jahren theoretisch vorhergesagt. Dass seine Vorhersagen so gut zutreffen erstaunt ihn selbst ein wenig: „Ich bin überrascht, dass die Vorhersagen über eine extrem komplexe Gemeinschaft so akkurat sind. Aber es ist wunderbar, wie alles zusammenpasst und dass die Beobachtungen unsere theoretischen Vorhersagen bestätigt hat.“
Die Auswertung der GPS-Daten war extrem kompliziert und hat mehrere Jahre gedauert. „Es war schwierig für uns zu verstehen, wann die Paviane versuchen, sich gegenseitig zu beeinflussen und wann nicht“, sagt Couzin. Deswegen flogen Couzin und seine Kooperationspartner gemeinsam nach Kenia, um die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. „Ohne diese Feldstudien hätten wir niemals unseren Algorithmus entwickeln können, und ohne den Algorithmus hätten wir nie verstanden, wie Entscheidungsfindung abläuft“, fasst Couzin zusammen.
Ein Puzzleteil fehlt den Froschern jedoch noch: der Einfluss des Geländes. Deswegen lassen die Wissenschaftler jetzt eine Drohne fliegen, die aus der Luft eine detaillierte dreidimensionale Karte erstellt. Couzin erklärt: „Wir glauben, dass die Informationen über die Umwelt uns noch ganz andere Einblicke in das Sozialverhalten der Tiere geben können.“
Max-Planck-Gesellschaft, 17. Juli 2015
Originalpublikation:
Ariana Strandburg-Peshkin, Damien R. Farine, Iain D. Couzin, Margaret C. Crofoot. Shared decision-making drives collective movement in wild baboons. Science; June 19, 2015. DOI: 10.1126/science.aaa5099