Mikrobengemeinschaft schützt Pflanzen vor Wurzelfäule

An einer plötzlichen Wurzelfäule erkrankte Tabakpflanzen auf einem Versuchsfeld im Lytle Preserve, Utah, USA. Die Krankheit wurde vermutlich von Pilzen verursacht. Infizierte Pflanzen verwelkten innerhalb weniger Tage. Eine Behandlung erkrankter Pflanzen war daher unmöglich. Andere Pflanzenarten blieben hingegen von der Krankheit verschont. © MPI f. chemische Ökologie/ A. Weinhold

An einer plötzlichen Wurzelfäule erkrankte Tabakpflanzen auf einem Versuchsfeld im Lytle Preserve, Utah, USA. Die Krankheit wurde vermutlich von Pilzen verursacht. Infizierte Pflanzen verwelkten innerhalb weniger Tage. Eine Behandlung erkrankter Pflanzen war daher unmöglich. Andere Pflanzenarten blieben hingegen von der Krankheit verschont.
© MPI f. chemische Ökologie/ A. Weinhold

Wurzelbakterien sorgen nicht nur für eine bessere Nährstoffversorgung von Pflanzen, sondern schützen sie sogar vor Krankheiten. Wie Forscher herausgefunden haben fördert die richtige Mikrobengemeinschaft im Boden das Überleben von wilden Tabakpflanzen. Pflanzen die keine Schutzallianz mit den lebenswichtigen Bakterien im Boden eingehen konnten, erkrankten dagegen an einer tödlichen Wurzelfäule, die sie über Nacht welken und absterben ließ. Der gefährliche Erreger hatte sich im Boden ausbreiten können, weil die Pflanzen über mehrere Jahre auf dem gleichen Versuchsfeld angepflanzt und vor der Auspflanzung in einem sterilen Medium angezogen worden waren, was eine natürliche Mobilisierung symbiotischer Bakterien verhinderte. Die Ergebnisse machen zum einen deutlich, wie wichtig eine Fruchtfolge für die Bodenqualität und die Verhinderung von Krankheiten durch Bodenerreger ist. Und sie zeigen auf, wie komplex die Ökologie von Pflanzen ist: Mit wie vielen verschiedenen nützlichen und schädlichen Mikroorganismen Pflanzen in Wechselwirkung stehen.

Wissenschaftler um Ian Baldwin am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie erforschen seit fast 20 Jahren die ausgeklügelten Abwehrstrategien des Kojotentabaks Nicotiana attenuata gegen Fraßfeinde an seinem natürlichen Standort im Lytle Preserve im US-amerikanischen Bundesstaat Utah. Ein bestimmtes Versuchsfeld wird seit 15 Jahre für Experimente genutzt. Vor acht Jahren traten dort erstmals vereinzelt Krankheitsfälle auf, bei denen einzelne, bereits hochgewachsene Tabakpflanzen plötzlich verwelkten. Dieses Phänomen kam mit der Zeit immer häufiger vor und es waren auch immer mehr Pflanzen in früheren Entwicklungsstadien betroffen, bis am Ende der Feldsaison 2012 mehr als die Hälfte der Versuchspflanzen der Krankheit zum Opfer fiel. Interessanterweise waren andere Wildpflanzen auf dem Feld nicht von diesem Phänomen betroffen. Die Krankheit schien also nur Tabakpflanzen zu befallen. Offenbar hatten die Forscher durch wiederholtes Anpflanzen einer Wildpflanze unbeabsichtigt ein typisches landwirtschaftliches Problem nachgestellt: die Vermehrung von Pflanzenpathogenen als Folge von Monokultur und Einfelderwirtschaft.

Da die Wissenschaftler auf dem Versuchsfeld ausschließlich mit Tabakpflanzen arbeiten, konnten sie keinen Fruchtwechsel durchführen. Daher überlegten sie sich verschiedene andere Möglichkeiten um das Problem in den Griff zu bekommen und testeten diese anschließend in Feldversuchen. Zuerst isolierten sie Bakterien und Pilze aus dem Wurzelbereich erkrankter Pflanzen. Dabei identifizierten sie 70 verschiedene Bakterien und 36 Pilze, darunter auch pflanzenpathogene Fusarium– und Alternaria-Arten. Außerdem bestimmten sie Bakterienstämme aus dem Wurzelbereich gesunder Tabakpflanzen und wählten daraus verschiedene Arten für eine potenzielle biologische Schädlingsbekämpfung aus, von denen sie bereits wussten, dass sie sich positiv auf das Wachstum und die Gesundheit der Pflanzen auswirken.

Ein typisches Symptom der Wurzelfäule sind die schwarzen Wurzeln. Die Wissenschaftler nennen die Erkrankung deshalb auch den „schwarzen Tod“. © MPI f. chemische Ökologie/ A. Weinhold

Ein typisches Symptom der Wurzelfäule sind die schwarzen Wurzeln. Die Wissenschaftler nennen die Erkrankung deshalb auch den „schwarzen Tod“.
© MPI f. chemische Ökologie/ A. Weinhold

Aber die Forscher versuchten auch die Kraankheit mit konventionellen chemischen Fungiziden zu bekämpfen und die Bodenqualität durch das Hinzufügen von Holzkohle zu verbessern. Denn junge Tabakpflanzen keimen in ihrer natürlichen Umgebung meist erst nach Bränden aus, die dort oft durch Blitzeinschläge ausgelöst werden. Neben nützlichen Bakterien setzten sie auch Pilze für eine biologische Schädlingsbekämpfung ein. Fungizide und Holzkohle alleine brachten jeweils keinen Erfolg. Und die Kombination von Fungiziden und Holzkohle sowie der Einsatz von Pilzen zur Biokontrolle erhöhte die Sterblichkeit der Versuchspflanzen sogar noch.

Lediglich bei den Pflanzen, die mit einer Mischung nützlicher Bodenbakterien behandelt wurden, ging die Sterblichkeit zurück. Die Wissenschaftler schauten sich daraufhin die Wirkung dieser Bakteriengemeinschaft genauer an und verglichen die Gesundheit von Pflanzen, die mit jeweils zwei, drei oder fünf verschiedenen Bakterienstämmen behandelt worden waren. Während die Behandlung mit nur zwei Bakterienstämmen praktisch keine Wirkung hatte, starben deutlich weniger Pflanzen bei einer Behandlung mit drei oder fünf Bakterienstämmen. Wie die Forscher beobachteten können einzelne Bakterienstämme nur gemeinsam mit anderen Bakterienstämmen ihre volle Wirkung entfalteten und dazu beitrugen, dass die Pflanzen gesünder und länger lebten.

„Dass Pflanzen einen guten Boden brauchen, hat eine tiefere Bedeutung als uns bislang bewusst war. Es bedeutet schlicht, dass eine ausgewogene Mikrobengemeinschaft entscheidend dazu beiträgt, dass Pflanzen wachsen können und gesund bleiben. Bisher wurden zwar einzelne Bakterienstämme in der Landwirtschaft eingesetzt. Aber Bakterien leben nicht allein, sie bilden Lebensgemeinschaften, die sich gegenseitig ergänzen und nur in Wechselwirkung ihre positive Wirkung auf die Pflanzengesundheit entfalten können“, sagt Arne Weinhold.

„Unsere Ergebnisse zeigen erneut, dass wir eine Menge lernen können, wenn wir genau hinschauen, wie die Natur selbst ihre Probleme löst. Die Pilzkrankheit trat letztendlich nur deshalb auf, weil wir das natürliche Verhalten der Pflanzen missachteten und stattdessen landwirtschaftliche Methoden anwandten“, erläutert Ian Baldwin. Die einjährige Wildpflanze braucht in der Natur bestimmte Bedingungen, damit ihre Samen keimen, die über viele Jahre im Boden warten können. Eine wichtige Voraussetzung sind verbrannte Böden wie sie nach Flächenbränden durch Blitzeinschläge entstehen. Die wilden Tabakpflanzen wechseln so ständig ihren Standort. Frühere Untersuchungen ergaben, dass schon die Tabakkeimlinge durch die Bildung von Ethylen bestimmte Wurzelbakterien anlocken und so selbst ihr „Wurzelmikrobiom“ mitgestalten.

Weitere Untersuchungen sind jetzt notwendig, um herauszufinden, wie der durch die Bakterien vermittelte Schutzmechanismus funktioniert, ob und wie sich die einzelnen Bakterienarten gegenseitig ergänzen und in ihrer Wirkungsweise synergistisch verstärken. „Monokulturen können in der Landwirtschaft auf Dauer zu immer größeren Ernteschäden führen. Wir müssen lernen, die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und der unglaublich diversen Mikrobengemeinschaft im Boden zu verstehen, um herauszufinden, wie dieses komplexe Ökosystem in Ungleichgewicht geraten kann“, meint Rakesh Santhanam aus Indien. Und Van Thi Luu ergänzt: „Jede Pflanze sucht sich je nach Standort ihre bakteriellen Helfer aus. Wenn es uns gelingt, diese zu identifizieren und entsprechend anzureichern, damit die Pflanze sie frühzeitig für ihr Mikrobiom gewinnen kann, könnten wir einen enormen Beitrag zum Pflanzenschutz leisten.“

Max-Planck-Gesellschaft, 25. August 2015

 

Originalpublikation:

Santhanam, R., Luu, V. T., Weinhold, A., Goldberg, J., Oh, Y, Baldwin, I. T. Native root-associated bacteria rescue a plant from a sudden-wilt disease that emerged during continuous cropping. PNAS, 24 August 2015 Doi: 10.1073/pnas.1505765112

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