Wie sich Bäume gegen Rehe wehren

Urwald Sababurg. © Ökologix. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Urwald Sababurg. © Ökologix. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Bäume können vor ihren Fressfeinden nicht weglaufen. Dennoch sind sie keineswegs wehrlos, wie Forscher jetzt herausgefunden haben. Denn sie können wahrnehmen, ob eine ihrer Knospen oder Triebe durch eine Sturmbö abgerissen wurde oder einem gefräßigen Reh zum Opfer fiel. Bei einem Rehverbiss aktivieren sie Abwehrmechanismen, die den gefräßigen Vierbeinern den Appetit verderben sollen.

Rehe haben es auf die jungen Triebe des Bergahorns abgesehen. © AnRo0002. CC0 1.0. Wikimedia Commons.

Rehe haben es auf die jungen Triebe des Bergahorns abgesehen. © AnRo0002. CC0 1.0. Wikimedia Commons.

Im Frühjahr sprießen die jungen, maigrünen Knospen und Triebe der Bäume. In ihnen liegt die Zukunft der Wälder, lassen sie doch vor allem Jungpflanzen schnell groß werden. Doch leider haben die Rehe sie zum Fressen gern. Ihnen schmecken gerade die Knospen, die für das Wachstum der kleinen Bäume so wichtig sind besonders gut. Mit etwas Glück braucht ein verbissenes Bäumchen nur ein paar Jahre länger zum Wachsen als seine verschont gebliebenen Artgenossen. Doch es kann auch Pech haben und zu einem verkrüppelten Baum heranwachsen. Im Extremfall muss es nach mehreren Jahren den Überlebenskampf aufgeben, weil es nicht im Konkurrenzkampf um eine optimale Lichtausbeute mithalten kann. So kann die in unseren Wäldern oft vorhandene Überpopulation an Rehen und anderem Wild viel Schaden anrichten und die Verjüngung so mancher Baumbestände massiv beeinträchtigen.

Doch Bäume stehen diesem Problem nicht völlig hilflos gegenüber. Sie verfügen über Abwehrstrategien gegenüber ihren Fressfeinden. Biologen der Universität Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) haben jetzt durch Versuche an jungen Buchen und Bergahornen herausgefunden, dass Bäume unterscheiden können, ob ein Ast oder eine Knospe durch ein Reh abgeknabbert oder durch einen Sturm oder eine andere mechanische Störung abgerissen wurde. Als Anhaltspunkt dient ihnen der Speichel ihrer Fressfeinde.

Die Hauptknospe eines Ahorn-Bäumchens wurde abgeschnitten. Auf die Schnittstelle wird mit einer Pipette Rehspeichel aufgetragen. © Bettina Ohse / Universität Leipzig

Die Hauptknospe eines Ahorn-Bäumchens wurde abgeschnitten. Auf die Schnittstelle wird mit einer Pipette Rehspeichel aufgetragen.
© Bettina Ohse / Universität Leipzig

Knabbert ein Reh an einem Baum, so hinterlässt es dabei Spuren von Speichel. Daraufhin erhöht der Baum seine Produktion an Salizylsäure. Dieses Pflanzenhormon sorgt dafür, dass er eine Extraportion bestimmter Gerbstoffe bildet, die den Rehen den Appetit auf die Triebe und Knospen verdirbt. Darüber hinaus kurbelt das Bäumchen auch die Bildung weiterer Pflanzenhormone an, vor allem von Wachstumshormonen. Mit dem Wachstumsschub versucht es den Verlust der Hauptknospe zu kompensieren.

„Bricht ein Ast oder eine Knospe dagegen ab, ohne dass ein Reh am Werk war, kurbelt der Baum weder seine Produktion des Signal-Hormons Salizylsäure noch die der Gerbstoffe an. Stattdessen bildet er vor allem Wundhormone“, erklärt Bettina Ohse.  Für ihre Versuche gaukelten die Forscher Bäumen vor, dass ein Reh an ihnen gefressen hat, indem sie die Schnittstelle mit Rehspeichel beträufelten. Kurze Zeit später ermittelten sie die Konzentration der Hormone und Gerbstoffe in den Bäumchen.

„Im Anschluss an diese erste Grundlagenforschung wäre es interessant, auch weitere Baumarten auf ihre Abwehrstrategien gegenüber Rehen zu untersuchen“, so die Forscherin. „Würden sich hier einige als von Natur aus wehrhafter herausstellen, könnten diese möglicherweise in Zukunft in den Wäldern mehr gefördert werden.“

Universität Leipzig, 12. September 2016

Originalpublikation:

Ohse, B., Hammerbacher, A., Seele, C., Meldau, S., Reichelt, M., Ortmann, S. and Wirth, C. (2016), Salivary cues: simulated roe deer browsing induces systemic changes in phytohormones and defence chemistry in wild-grown maple and beech saplings. Funct Ecol. doi:10.1111/1365-2435.12717

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