DNA-Marker offenbaren: Migration und Vermischung waren in Europas Geschichte die Regel

Unter Dschingis Khan, hier die Thronbesteigung im Jahre 1206, filen die Mongolen in Europa ein. Noch heute finden sich Spuren dieser Invasion im Erbgut heute lebender Europäer. © gemeinfrei.

Unter Dschingis Khan, hier die Thronbesteigung im Jahre 1206, fielen die Mongolen in Europa ein. Noch heute finden sich Spuren dieser Invasion im Erbgut der Europäer. © gemeinfrei.

Die Geschichte der Menschheit ist von Migration und Vermischung geprägt. Anhand von genetischen Markern konnten Forscher nun historische Wanderbewegungen sowohl innerhalb Europas als auch in dessen Umfeld kartieren. Mit dieser Methode konnten sie zeigen, wie die Völker in einem Zeitraum von 3000 Jahren über den Kontinent wanderten, sich vermischten und vermehrten. Forscher könnten die neue Technik nutzen, um in weniger gut dokumentierten Regionen der Welt Licht ins Dunkel der Geschichte zu bringen.

Wenn man in der menschlichen Geschichte weit genug zurück geht haben alle Menschen gemeinsame Vorfahren. Doch genetisch sind bestimmte Populationen näher miteinander verwandt als andere. Das liegt an den historischen Ereignissen, die diese Gruppen zusammengeführt haben. Wie Forscher nun belegen konnten, lässt sich anhand genetischer Marker nachvollziehen, welche Migrationen zu diesem Ergebnis geführt und wann sie stattgefunden haben. Demnach kann man mit Hilfe unserer Genome verloren gegangene historischer Ereignisse rekonstruieren.

Laut George Busby von der Universität Oxford in England kann man mit Hilfe statistischer Verfahren nachvollziehen, welche historischen Ereignisse das Genom-Mosaik der heutigen Europäer hervorgebracht haben. Da die europäische Geschichte sowohl archäologisch, als auch historisch gut erforscht ist konnten die Wissenschaftler erfolgreich belegen, dass ihre genetischen Vorhersagen korrekt sind. Demnach könnte man vergleichbare Untersuchungen anstellen, um die historischen Wanderbewegungen in anderen, weniger erforschten Regionen der Welt nachzuvollziehen.

Die Wanderung von Genen in Westeurasien ist durch Linien dargestellt, die die beste Donorgruppe als Quelle der Vermischung mit der Zeilgruppe verbindet (Kopf der Pfeile). Durch die Farben wird die Identität der regionalen Donorgruppe dargestellt. Die Dicke der Pfeile gibt an, wie viel DNA von der Donorgruppe stammt. Zeiträume für die Vermischungsereignisse sind für ausgewählte Donorgruppen angegeben. © Busby et al./Current Biology 2015

Der Genfluss in Westeurasien ist durch Linien dargestellt, die die beste Donorgruppe als Quelle der Vermischung mit der Zeilgruppe verbindet (Kopf der Pfeile). Durch die Farben wird die Identität der regionalen Donorgruppe dargestellt. Die Dicke der Pfeile gibt an, wie viel DNA von der Donorgruppe stammt. Zeiträume für die Vermischungsereignisse sind für ausgewählte Donorgruppen angegeben. © Busby et al./Current Biology 2015

Cristian Capelli und sein Team benutzen für ihre Forschung eine neue Technik, mit der sie einzelne genetische Varianten in verschiedenen Populationen verglichen. Dabei berücksichtigten sie die räumliche Nähe der Marker auf einem Chromosom. Mit diesem Verfahren kann man sowohl nahe verwandte Populationen, als auch weitläufiger verwandte voneinander unterscheiden. So konnten die Forscher die Geschichte des gesamten Kontinents nachvollziehen.

Die Forscher analysierten 500.000 genetische Marker in 2000 Proben um herauszubekommen wie die Gene zwischen 1000 v. Chr und 1950 zwischen verschiedenen Völkern ausgetauscht wurden. Dabei stammte die Hälfte der Proben aus Westeurasien: Europa, dem Kaukasus und Gebieten des Mittleren Ostens. Die andere Hälfte stammte aus anderen Regionen der Welt. So konnten die Forscher untersuchen, welche Gruppen sich innerhalb Eurpoas bewegten, aber auch welche nach Europa einwanderten.

Sie konnten zeigen, wie sich die Europäer im Laufe der Zeit miteinander vermischt haben, als sie von einer Region zur anderen wanderten. Natürlich haben sich benachbarte Gruppen am häufigsten vermischt. Doch mitunter weisen die Populationen auch Marker von nach Europa eingedrungenen Völkern auf, die aus weit entfernten Gebieten kamen.

„So wie verschiedene Kulturen oft Elemente anderer Kulturen übernommen haben sieht man auch in den Genomen der heutigen Europäer das Erbe von vielen verschiedenen Regionen, sowohl aus Europa selbst als auch von außerhalb.“ erklärt Cristian Capelli.

Die Ergebnisse liefern interessante Einblicke in die menschliche Geschichte, vor allem von den „einfachen Leuten“.

„Meist wird die Geschichte von den Gewinnern und Eliten geschrieben. Von der normalen Bevölkerung hört man dagegen in der Regel gar nichts.“ sagt Busby. Durch die DNA-Analyse ganzer Populationen erfahre man dagegen, welche Verwandtschaftsbeziehungen die verschiedenen Gruppen zueinander haben. Damit werde die Geschichte aller Menschen beschrieben.

So fanden die Forscher beispielsweise heraus, dass die Mongolen gleich zwei mal nach Europa gewandert sein müssen: Einer der Zeitpunkte stimmt mit der mongolischen Invasion zur Zeit Dschingis Khans, anfang des 13ten Jahrhunderts überein. Die andere dagegen muss noch vor 1000 v. Chr. stattgefunden haben und betraf in Nordosteuropa die Tschuwaschen, Russen und die Mordwinen.

Laut den Forscher haben sich aber auch die Europäer aus dem Mittelmeerraum wiederholt mit Völkern aus West- und Nordafrika gemischt. Aber auch die slavische Expansion hinterließ ihre Spuren in den Genomen der Europäer. Was beweist, dass diese Ausbreitung ein Schlüsselereignis in der genetischen Geschichte der Region darstellt.

Damit sind Migration und Vermischung eher die Regel und nicht die Ausnahme in der Geschichte der Menschheit.

Cell Press, University of Oxford, 17. Sept. 2015

 

Originalpublikation:

G. Busby et al. The Role of Recent Admixture in Forming the Contemporary West Eurasian Genomic Landscape. Current Biology, September 2015 DOI: 10.1016/j.cub.2015.08.007

 

Kommentare sind geschlossen.