Palmenflughunde verbreiten auf ihren Flügen Samen und Pollen und erfüllen dadurch eine wichtige Funktion im Ökosystem. Forscher haben Palmenflughunde (Eidolon helvum) mit GPS-Sendern versehen, um mehr über die von ihnen zurückgelegten Flugrouten herauszufinden. Die Streckenlänge variiert dabei je nach Jahreszeit: In der Trockenzeit flogen die Tiere bis zu 180 Kilometer pro Nacht, wogegen sie in der Regenzeit lediglich ein Drittel dieser Strecke oder weniger zurück legten. Ursache hierfür könnte die unterschiedliche Größe der Population in diesen beiden Perioden sein. Während die beobachtete Kolonie in der Regenzeit nur mehrere Tausend Tiere zählte, umfasste sie in der Trockenzeit über Hunderttausend Individuen. Je mehr Flughunde eine Kolonie umfasst, umso mehr konkurrieren die einzelnen Tiere miteinander, und desto weiter müssen die Tiere fliegen, um ausreichend Nahrung zu finden.
Jeden Abend, wenn es in Accra dämmert, erwacht in der Hauptstadt von Ghana eine Kolonie von Palmenflughunden. „Zuerst sind nur wenige Tiere unruhig. Dann werden es immer mehr, und ein gigantisches Naturschauspiel beginnt“, schwärmt der Leiter der Studie Jakob Fahr vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. „Man kann fast die Uhr danach stellen.“
Den Tag verbringen die Tiere kopfüber hängend in den Kronen alter Mahagonibäume. Sobald die Sonne untergeht, ist die Ruhe aber dahin, und die gesamte Kolonie begibt sich auf Futtersuche: „Wenn die Flughunde ausfliegen, verdunkelt sich der Himmel“, so Fahr. Etwa 150.000 Tiere mit Flügelspannweiten von bis zu 80 Zentimetern strömen in der Trockenzeit allabendlich in alle Richtungen aus. Die ganze Nacht über suchen sie nach Früchten und Nektar und kehren erst am nächsten Morgen an ihre Schlafplätze zurück.
Palmenflughunde zählen zu den am weitesten verbreiteten Fledertieren Afrikas. Die Säugetiere leben in Kolonien und zeigen – vermutlich wegen saisonal bedingter Schwankungen der Futtermengen – ein ausgeprägtes Zugverhalten: Abhängig von Trocken- und Regenzeit versammeln sie sich in Gruppen von bis zu vielen hunderttausend Individuen – so wie in der Kolonie in Accra. Zu Beginn der Regenzeit verlassen die meisten Flughunde Accra und ziehen in nördliche Savannengebiete. Nur wenige Tausend Tier bleiben zurück.
Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob sich die saisonal schwankende Größe der Kolonie in Accra auf die nächtliche Nahrungssuche auswirkt. Die Mitglieder einer größeren Kolonie müssten eigentlich weiter fliegen müssen, um genügend Futter zu finden, so die Hypothese der Forscher. Auf ihren nächtlichen Streifzüge verteilen die Flughunde Samen und Pollen. Daher spielen sie im Ökosystem des afrikanischen Kontinents eine wichtige Rolle. Fahr nennt die Tiere deshalb auch die „Gärtner der afrikanischen Wälder“. In welchen Gebieten die Flughunde nachts „gärtnern“, und welche Bedeutung hierbei der Koloniegröße zukommt, war bisher jedoch weitgehend unbekannt.
Die Forscher fingen zunächst einige Tiere mit Netzen ein und versahen sie mit kleinen, aufgeklebten GPS-Sendern. „Die akkubetriebenen Sender halten bis zu sieben Tage“, erklärt Fahr. „Irgendwann fallen sie einfach ab und, wenn wir Glück haben, können wir sie wiederverwenden.“
Die Sender zeichnen sowohl die Routen als auch Beschleunigungsdaten auf. So entstand ein genaues Bild der Flugbewegungen zwischen dem Schlafplatz und den Futterplätzen der Palmenflughunde. Um an die gewünschten Informationen zu gelangen, suchten die Wissenschaftler tagsüber die Kolonie auf und lasen die Daten mit einem Empfangsgerät aus. Anschließend begann die „Schnitzeljagd“, wie Fahr es nennt. Mit einem Taxi suchten sie die Fressplätze der Flughunde anhand der Koordinaten und mit Hilfe von Google Earth. „Meistens findet man unter den Bäumen Fraßreste“, erläutert Fahr. Dadurch gelang es Fahr und seinen Kollegen über die Flugrouten hinaus auch zu bestimmen, was die Tiere bei ihren nächtlichen Ausflügen verzehrt hatten.
Wie die Analysen ergaben, ernährt sich die riesige Kolonie in der Trockenzeit vorrangig von Nektar. Wobei die Tiere bis zu 180 Kilometer zurücklegten. In der Regenzeit dagegen, in der die Gruppe auf nur wenige Tausend Individuen schrumpfte, fraßen die Flughunde fast nur Früchte in der näheren Umgebung. Die nächtliche Flugstrecke sankt dann auf ungefähr ein Drittel.
Alles deutet also darauf hin, dass die Palmenflughunde in der Regenzeit weniger stark um Nahrung konkurrieren und deshalb nicht so weit fliegen müssen. „Möglicherweise reichen die Früchte in der Trockenzeit nicht für alle Tiere aus. Vielleicht brauchen sie in dieser Jahreszeit aber auch bestimmte Nahrungsinhaltsstoffe und ernähren sich deshalb lieber von Nektar.“ Um diese Frage zu klären, müssten die Forscher das Nahrungsangebot detailliert untersuchen.
Die Leistung der Palmenflughunde für das Ökosystem ist in jedem Fall enorm: Einfache Flugstrecken von bis zu 90 Kilometer machen sie zu den Rekordhaltern unter allen Fledertieren. Pflanzensamen und Pollen verteilen sie während ihrer Nahrungssuche über erstaunlich große Gebiete. Dabei überfliegen sie auch gerodete und vom Menschen stark veränderte Areale. Dazu kommt, dass der Bestand anderer Samenverteiler in vielen Gebieten durch die Jagd stark dezimiert ist. „Flughunde sollten deshalb nicht in erster Linie mit Infektionskrankheiten in Verbindung gebracht werden. Sie erfüllen vielmehr wichtige ökologische Aufgaben, ohne die viele Ökosysteme Afrikas verschwinden werden“, sagt Fahr.
Max-Planck-Gesellschaft, 14. Oktober 2015
Originalpublikation:
Jakob Fahr, Michael Abedi-Lartey, Thomas Esch, Miriam Machwitz, Richard Suu-Ire, Martin Wikelski, Dina K. N. Dechmann. Pronounced seasonal changes in the movement ecology of a highly gregarious central-place forager, the African straw-coloured fruit bat (Eidolon helvum). PLOS One; 14 October, 2015. doi:10.1371/journal.pone.0138985