Auch Kabeljau und Makrelen fressen Plastikpartikel

Kabeljau © Hans-Petter Fjeld. Wikimedia Commons. CC BY-SA 2.5.

Kabeljau © Hans-Petter Fjeld. Wikimedia Commons. CC BY-SA 2.5.

Mikroplastikpartikel stellen nicht nur für Seevögel, Wale und Lebewesen am Meeresboden eine Gefahr dar. Sondern die Plastikreste werden auch von Speisefischen wie Kabeljau und Makrele in der Nord- und Ostsee sowie von Meeresschnecken gefressen, wie Forscher nun belegen.

Plastik verrottet nicht, es verwittert nur. Zermürbt durch Sonnenlicht, UV-Strahlen, Wind und Wellen zerbricht es in immer kleinere Fragmente. Sind diese Plastikreste kleiner als fünf Millimeter, gehören sie zum sogenannten Mikroplastik, das Forscher inzwischen in allen Weltmeeren nachgewiesen haben.

Mikroplastik-Partikel nach der Analyse im Labor. © Alfred-Wegener-Insti- tut / Svenja Mintenig, Ivo Int-Veen

Mikroplastik-Partikel nach der Analyse im Labor. © Alfred-Wegener-Insti-
tut / Svenja Mintenig, Ivo Int-Veen

Forscher des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung untersuchen wo sich wieviel Mikroplastik im Meer angesammelt hat und welche Wirkung es auf die Meerestiere hat. In zwei neuen Studien fanden die Biologen nun heraus, dass auch Speisefische in Nord- und Ostsee, wie Kabeljau und Makrelen beim Fressen Mikroplastikpartikel aufnehmen. Gleiches gilt für Pflanzenfresser wie Strandschnecken, die sich von Großalgen ernähren und Fischen sowie Krebsen als Beute dienen.

Makrelen verwechseln Plastikfasern mit Beute

Für ihre Studie untersuchten die Forscher den Magen- und Darminhalt von 290 Makrelen, Flundern, Heringen, Dorschen (Kabeljau) und Klieschen aus der Nord- und Ostsee. Demnach nimmt anscheinend etwa der Hering zu bestimmten Jahreszeiten gar keine Mikroplastikpartikel auf. Bei der Makrele dagegen schwankt der Anteil der Tiere mit Mikroplastik in den Verdauungsorganen je nach Meeresregion zwischen 13 und 30 Prozent. Damit verschlucken Makrelen deutlich häufiger Mikroplastikpartikel als in Bodennähe lebende Fischarten wie Flunder und Kliesche.

„Die Ursache dafür liegt vermutlich im Fressverhalten der Fische“, sagt der Biologe Gunnar Gerdts. „Bei den gefundenen Mikroplastikpartikeln gehen wir davon aus, dass die Tiere die in der Wassersäule treibenden Fragmente ganz zufällig bei der Futtersuche mit aufgenommen haben. Anders sieht es bei einer Vielzahl der Plastikfasern aus, die wir vor allem bei den Makrelen gefunden haben. Vermutlich haben die Fische sie für Beute gehalten.“

Der Grund: Die Fasern treiben oft in relativ hoher Dichte an der Wasseroberfläche. Sie ähneln dann in Form und Farbe frisch geschlüpften Seenadeln, auf die Makrelen gern Jagd machen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Fischarten, die an der Wasseroberfläche oder in den oberen Schichten nach Fressbarem suchen, eher Gefahr laufen, Plastik zu verschlucken, als andere“, so Gunnar Gerdts.

Bisher weiß man noch kaum, welche Folgen die Plastikteilchen für die Fische haben: „Bei einem der untersuchten Kabeljaue fanden wir ein etwa 50 Zentimeter langes Gummiband im Magen. Das Tier hatte es nicht wieder ausspucken können, war körperlich schon gezeichnet und wäre vermutlich auf lange Sicht verhungert“, erzählt Gunnar Gerdts. Könnte eine Ansammlung von Mikroplastikpartikeln im Fischmagen ebenso schwere Folgen haben? „Wir haben zumindest in unserer Studie keine Hinweise darauf gefunden“, so der Forscher.

Gemeine Strandschnecke Littorina littorea © Alfred-Wegener-Institut / Reinhard Saborowski

Gemeine Strandschnecke Littorina littorea © Alfred-Wegener-Institut / Reinhard Saborowski

Strandschnecken fressen Mikroplastik von Algenoberfläche

In der zweiten Studie untersuchte ein Forscherteam um den Biologe Lars Gutow, ob Pflanzenfresser wie die Gemeine Strandschnecke (Littorina littorea) Mikroplastikpartikel bei der Futtersuche aufnehmen. Die Schnecken leben zum Beispiel an der Felsküste Helgolands und fressen dort Blasentang und anderen im Tangwald wachsenden Seetang (Großalgen).

„Felsküsten und die dort lebenden Organismen, wie große Algen und deren Konsumenten, sind überraschender Weise bisher kaum auf Mikroplastik untersucht worden. Dabei sind es Orte wie diese, an denen das Meer die größeren Plastikstücke auf dem felsigen Untergrund in immer kleinere Teilchen zerreibt“, sagt Lars Gutow.

„Unsere Experimente zeigten, dass Mikroplastikpartikel besonders gut auf der strukturierten und klebrigen Oberfläche des Blasentangs haften. Dieses Ergebnis gab uns Anlass, anzunehmen, dass Tiere, die diese Algen abgrasen, unmittelbar Gefahr laufen, die Mikroplastikpartikel mit aufzunehmen“, so der Biologe.

Um diese Annahme zu überprüfen, nahmen die Forscher Algenproben an der Nordseeküste, sammelten Strandschnecken und bauten im Labor in Bremerhaven Aquarien für verschiedene Versuche auf. Dazu versahen sie Plastikfragmente mit einer fluoreszierenden Markierung und gaben diese zu den Algen ins Wasser. Zuerst überprüften sie, wie viele Mikroplastikpartikel sich auf der Oberfläche des Blasentangs absetzten. Anschlie0end verfütterten sie die Algen an die Schnecken.

Das was die Forscher unter dem Fluoreszenz-Mikroskop sahen war eindeutig: „Je höher die Mikroplastik-Konzentration im Wasser ausfiel, desto mehr Partikel setzten sich auf der Algenoberfläche fest“, berichtet Lars Gutow. „Gleichzeitig konnten wir nachweisen, dass die Schnecken diese Plastikfragmente ganz unbeeindruckt mitfressen. Das heißt im Umkehrschluss: Wir müssen auch die Gruppe der marinen Pflanzenfresser in den Kreis der durch Mikroplastik betroffenen Tierarten mit aufnehmen.“

Bisher hatten sich Meeresforscher bei der Suche nach gefährdeten Arten vor allem auf jene Organismen konzentriert, die für die Nahrungsaufnahme den Meeresboden durchwühlen oder Meerwasser filtrieren. „Jetzt wissen wir, dass das Spektrum der betroffenen Arten viel größer ist und wir Lebensräume wie die Felsküstenbereiche ebenfalls berücksichtigen müssen“, so Lars Gutow.

Doch wie die Biologen feststellten, scheiden die Schnecken das aufgenommene Mikroplastik nahezu vollständig wieder aus. „Die Schnecken besitzen in ihrem Magen eine komplexe Sortiereinheit. Diese sortiert mithilfe zahlloser Wimpernhärchen Partikel ab einer bestimmten Größe wieder aus. Das von uns eingesetzte Mikroplastik ist demzufolge weder verdaut worden, noch in den Blutkreislauf oder in das Gewebe der Tiere gelangt“, erklärt der Forscher. Gleiches gilt für Meeresasseln. Bei einer früheren Studie war das Forscherteam zu dem Schluss gekommen, dass die Tier die Plastikpartikel ebenfalls einfach wieder ausscheiden.

Die Gemeine Strandschnecke (Littorina littorea) gehört zu einer Reihe von Schlüsselorganismen, anhand derer die Biologen lernen wollen, wie gefährlich Mikroplastik für die Tierwelt der Meere ist. „Unser Langfristziel lautet, eine genaue Risikoabschätzung darüber abgeben zu können, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Tiergruppen Mikroplastikpartikel aufnehmen. Im Falle der Pflanzenfresser wissen wir jetzt, dass sie dies mit einer höheren Wahrscheinlichkeit machen als bisher angenommen wurde“, sagt Lars Gutow und fügt zum Abschluss hinzu: „Allerdings ist bisher sowohl für Fische als auch für die Strandschnecke völlig unbekannt, ob und wie es sich auf die Gesundheit der Tiere auswirkt, wenn sie über einen langen Zeitraum Mikroplastikpartikel aufnehmen.“

Alfred-Wegener-Institut, 11. Januar 2016

Originalpublikationen:

Christoph D. Rummel, Martin G.J. Löder, Nicolai F. Fricke, Thomas Lang, Eva-Maria Griebeler, Michael Janke, Gunnar Gerdts: Plastic ingestion by pelagic and demersal fish from the North Sea and Baltic Sea, Marine Pollution Bulletin.

Lars Gutow, Antonia Eckerlebe, Luis Gimenez, and Reinhard Saborowski: Experimental evaluation of seaweeds as vector for microplastics into marine food webs, Environmental Science & Technology, DOI: 10.1021/acs.est.5b02431

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