Bei der Entwicklung von Parasiten fährt die Evolution Achterbahn

Die parasitische Blütenpflanze Orobanche cumana hat die Fähigkeit zur Photosynthese verloren und ist zur Gänze von ihrer Wirtspflanze abhängig. © G. Schneeweiss

Die parasitische Blütenpflanze Orobanche cumana hat die Fähigkeit zur Photosynthese verloren und ist zur Gänze von ihrer Wirtspflanze abhängig. © G. Schneeweiss

Die Evolution von Parasiten gleicht eher einer Achterbahnfahrt, als einer allmählichen Entwicklung, wie Forscher nun an parasitären Sommerwurzgewächsen herausgefunden haben.

Sommerwurzgewächse (Orbanchaceae) sind ideale Versuchsobjekte, um herauszufinden, wie sich Parasitismus entwickelt. Denn bei ihnen gibt es sowohl autark lebende Vertreter, als auch solche, die andere Pflanzen mit Hilfe ihrer Saugorgane, den Haustorien, anzapfen, um sich mit lebensnotwendigen Nährstoffen zu versorgen, die aber immer noch selbst Photosynthese betreiben können, wie völlig von ihrer Wirtspflanze abhängige Arten, die nicht mehr zur Photosynthese fähig sind. Um die Evolution von einer ursprünglich autarken Lebensweise hin zu einer rein parasitären zu beschreiben untersuchten Gerald Schneeweiss und sein Team von der Universität Wien die Photosyntheseorgane dieser Pflanzenarten: die Chloroplasten.

Sprunghafte Entwicklung führt zu „schlampigerer“ Photosynthese

Beim Vergleich der von diesen Gewächsen für die Photosynthese genutzten Gene kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die Anpassung an eine parasitische Lebensweise kein kontinuierlicher Prozess ist, sondern eher einer Achterbahnfahrt gleicht: „Es geht einmal hinauf, einmal hinunter, wird plötzlich schneller und dann wieder langsamer. Während die ersten Schritte zaghaft passieren, kommt ein kräftiger Schubser, wenn die Pflanzen obligat parasitisch werden, also nicht mehr eigenständig überleben können.“ erklärt Schneeweiss. Bisher war man davon ausgegangen, der Verlust der Photosynthese sei der entscheidende Schritt. Doch dieser folgt tatsächlich erst später und hat keine so große Auswirkung, wie bisher angenommen.

Zunehmende Spezialisierung und abnehmende Photosynthesefähigkeit parasitischer Pflanzen führen zu umstrukturierten und stark reduzierten Plastidengenomen. © G. Schneeweiss

Zunehmende Spezialisierung und abnehmende Photosynthesefähigkeit parasitischer Pflanzen führen zu umstrukturierten und stark reduzierten Chloroplastengenomen. © G. Schneeweiss

Dieses Phänomen erklären sich die Forscher wie folgt: Sobald die Pflanze den Großteil ihrer Energie nicht mehr durch die Photosynthese gewinnt, sondern indem sie ihre Wirtspflanze anzapft, fällt schlagartig der Selektionsdruck weg, der dafür sorgt, dass der Photosyntheseapparat funktionstüchtig bleibt. Von diesem Zustand ist es nur noch ein kleiner Schritt auch andere Gene zunächst „schlampiger“ arbeiten zu lassen, deren Funktion mit der Zeit immer unwichtiger wird, bis sie schließlich ganz verloren geht.

Universität Wien, 25 Juli 2016

Originalpublikation:

Susann Wickea, Kai F. Müller, Claude W. de Pamphilis, Dietmar Quandt, Sidonie Bellot, und Gerald M. Schneeweiss. Mechanistic model of evolutionary rate variation en route to a nonphotosynthetic lifestyle in plants. PNAS. doi: 10.1073/pnas.1607576113

Kommentare sind geschlossen.