Rhesusaffen besitzen „Vorläuferfähigkeiten“ für den Spracherwerb

© Thomas Schoch. CC-BY-SA-3.0. Wikimedia Commons.

Ein Rhesusaffe in Indien. © Thomas Schoch. CC-BY-SA-3.0. Wikimedia Commons.

Unsere menschliche Sprache ist einmalig. Mit Hilfe grammatikalischer Regeln können wir Wörter zu unendlich vielen unterschiedlichen Sätzen kombinieren. Laut der Evolutionstheorie müssten unsere nächsten Verwandten über „Vorläuferfähigkeiten“ für den Spracherwerb verfügen. Denn eine solch komplexe Fertigkeit kann sich in der Evolution nicht aus dem Nichts entwickelt haben. Deshalb haben Forscher nun untersucht, ob auch Affen komplizierte Regeln in Silbenfolgen entdecken können. Dabei beobachteten sie, dass die Affen komplexe Silbenkombinationen ähnlich verarbeiten, wie drei Monate alten Babys. Damit verfügen sie wahrscheinlich über die gesuchten „Vorläuferfähigkeiten“ für den Spracherwerb.

Bereits Babys besitzen einen Sinn für Grammatik: In einer früheren Studie haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften die elektrischen Hirnpotentiale ihrer kleinen Probanden gemessen und beobachtet, dass drei Monate alte Säuglinge bei aneinandergereihten Silben Regeln erkennen können. Und sie merken, wenn eine der Regeln verletzt wird.

Schematische Darstellung der elektrischen Hirnaktivität: Die Kurven der Affen zeigen für die Entdeckung von abweichenden Silbenreihenfolgen ein ähnliches Muster wie die der Säuglinge, unterscheiden sich aber von den Kurven Erwachsener. © MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften

Schematische Darstellung der elektrischen Hirnaktivität: Die Kurven der Affen zeigen für die Entdeckung von abweichenden Silbenreihenfolgen ein ähnliches Muster wie die der Säuglinge, unterscheiden sich aber von den Kurven Erwachsener.
© MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften

Verblüffenderweise waren Erwachsene dagegen nicht in der Lage, die Regeln durch bloßes Zuhören zu entdecken. Dies gelang ihnen nur, wenn sie direkt dazu  aufgefordert wurden, die Regeln herauszufinden. Folglich scheint sich das Erlernen sprachlicher Regeln im Laufe der menschlichen Entwicklung massiv zu verändern: Säuglinge prägen sich sprachliche Muster durch bloßes Zuhören ein. Erwachsene sind dagegen auf eine systematische Vorgehensweise angewiesen, um erfolgreich zu sein.

Doch wie hat sich die Fähigkeit zum Spracherwerb im Laufe der Evolution entwickelt? Sollten nicht unsere nächsten Verwandten, die Affen über Vorläufer für diese Fähigkeit verfügen. Um diese Frage zu klären wählten die Forscher Rhesusaffen. Sie gehören, wie wir Menschen auch, zu den Primaten. Dazu führten die Forscher mit zwei Rhesusaffen die gleichen Experimente durch, wie zuvor mit den Babies und Erwachsenen: Sie erfassten die elektrische Hirnaktivität auf ihrer Kopfoberfläche, während ihnen dieselben Silbenkombinationen vorgespielt wurden.

Den Tieren hörten jeweils 20 Minuten lang Folgen von bedeutungslosen Sequenzen aus drei Silben, wie zum Beispiel „di me te“ oder „go mi ku“. Dieser Silbensequenzen basierten auf der Regel, dass die Anfangssilbe „go” immer gemeinsam mit der Endsilbe „ku” kombiniert wurde und die Silbe „di” immer mit der Silbe „te”. Die zwischen Anfangs- und Endsilbe auftretenden Silben waren dagegen zufälliger Natur. Solche Regeln zwischen sprachlichen Elementen gibt es bei vielen menschlichen Sprachen, wie etwa im Deutschen: „ge-la-den“ oder „ge-fun-den“.

Die Forscher konnten durch Messen der Gehirnaktivität sehen, ob der Makake die Regel in der Silbensequenz erkannte. Im Laufe des Experimentes wurde nun die festgelegte Silbenreihenfolge von Zeit zu Zeit vertauscht, die zugrundeliegende Regel also verletzt. Erstaunlicherweise zeigten die Gehirnreaktionen der Affen, dass sie die Regelverletzung entdeckten. Allerdings traten diese Reaktionen erst nach etwa zehn Wiederholungen des Experimentes auf. Die Tiere benötigten damit länger als die Säuglinge und Erwachsenen. Das Lernen von Regeln ist damit offensichtlich für die Affen mit einem wesentlich größeren Aufwand verbunden, als für uns Menschen.

„Das Ergebnis zeigt, dass Affen und Menschen vor allem im Entwicklungsstadium, wenn das Gehirn noch nicht voll ausgereift ist, einige ähnliche geistige Fähigkeiten haben“, sagt Angela D. Friederici vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Ihre Kollegin Jutta Mueller ergänzt: „Der Befund, dass bereits Affen komplizierte Silbenfolgen verarbeiten können, könnte aus evolutionärer Sicht bedeuten, dass die menschliche Sprachfähigkeit auf diesen einfachen Mechanismen aufbaut.“

Max-Planck-Gesellschaft, 10. November 2016

Originalpublikation:

Alice E. Milne, Jutta L. Mueller, Claudia Männel, Adam Attaheri, Angela D. Friederici & Christopher I. Petkov. Evolutionary origins of nonadjacent sequence processing in primate brain potentials. Scientific Reports, 9 November 2016. doi:10.1038/srep36259

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