Was Biolandbau beitragen kann

Bodenverschleiss, Überdüngung, Pestizide – die intensive Landwirtschaft produziert lebensfeindlich. Biologischer Landbau wird oft als Ausweg genannt. Doch kann Bio tatsächlich die Welt ernähren – und wäre das ein umfassend nachhaltiges Ernährungssystem?

Biobauernhof in Österreich. © Obersteirer. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Die Aufgabe fordert: Im Jahr 2050 geschätzte 10 Milliarden Menschen ernähren mit möglichst wenig Umweltschäden. Fragt sich nur, was «die Welt ernähren» genau heisst. Heute bedeutet das im globalen Schnitt 2850 produzierte Kilokalorien pro Kopf und Tag [1] mit einem hohen Anteil tierischer Proteine – und einer Wegwerfquote von rund 30 Prozent. Prognosen für 2050 gehen gar von täglich 3070 Kilokalorien pro Kopf aus. Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt nehmen drastisch zu.

Macht das Sinn?

Nein. Diese Mengen sind so absurd hoch, dass enorm viel Raum für Verbesserung besteht. Und sie zeigen: Es gibt definitiv nicht zu wenig zu essen. Wir haben Probleme mit der Verteilung, doch dies sei hier nicht weiter betrachtet.

Man stelle sich stattdessen vor, wir produzierten diesen Drittel nicht für die Mülltonne, und verwendeten nicht 40 Prozent der globalen Ackerfläche für die Futtermittelproduktion, nur um den hohen Fleischkonsum zu decken. Welche Kapazitäten und Ressourcen das freilegen würde!

Genau dieses brachliegende Potenzial müssen wir nutzen, wollen wir 2050 die Menschheit nachhaltig ernähren. Und darin liegt auch der Schlüssel, wenn die biologische Landwirtschaft zu einem langfristig tragbaren Ernährungssystem beitragen soll. Doch wie meine ich das?

Unvermeidbare Zielkonflikte

In einer soeben in Nature Communications erschienenen Studie [2] unter Federführung des Forschungsinstituts für biologischen Landbau FiBL [3] haben wir verschiedene Szenarien für künftige Ernährungssysteme untersucht. Sollen diese nachhaltig sein, lassen sich Zielkonflikte nicht vermeiden. Zum Beispiel: Biolandbau senkt Stickstoffüberschüsse, schont Böden und ist weniger ökotoxisch, bringt jedoch tiefere Erträge.

Oder: Eine graslandbasierte Tierproduktion steht nicht im Wettbewerb um Ackerland mit direkter menschlicher Ernährung, emittiert aber pro Kilogramm Fleisch mehr Treibhausgase, als wenn die Tiere Kraftfutter fressen. Wie geht man damit um?

Unsere Modellberechnungen für 2050 zeigen: Würden wir weltweit auf Biolandbau umstellen bei gleichbleibendem Konsumverhalten – also mit hohem Anteil an tierischen Produkten und mit grossen Abfallmengen –, gingen zwar die Stickstoffüberschüsse und synthetischen Pflanzenschutzmittel stark zurück, und auch die Treibhausgasemissionen wären ein wenig tiefer. Aber: Wir benötigten massiv mehr Ackerland – also keine ökologisch tragbare Option.

Drei Strategien, klug kombiniert

Dies Bild ändert sich, wenn man an den Stellschrauben dreht: Füttern wir die Tiere also mit weniger Kraftfutter und vermehrt durch Grasland, essen selber weniger Fleisch und senken die Abfallmengen. Dann müssen wir gar nicht erst so viel Nahrung produzieren. Ein Beispiel: Mit 50 Prozent weniger Kraftfutter, 50 Prozent weniger Abfall und 100 Prozent Biolandbau würde der Landverbrauch kaum zunehmen und die negativen Umweltauswirkungen noch immer stark sinken.

Insgesamt zeigt unsere Studie klar: Biologischer Landbau – weltweit eingesetzt – kann die Menschheit in Zukunft nachhaltig ernähren, sofern wir auf tierisches Kraftfutter verzichten, weniger Fleisch essen und Foodwaste vermeiden.

Das Gesamtsystem im Auge

Mein Fazit: Bei Fragen zu nachhaltiger Landwirtschaft müssen wir das ganze Ernährungssystem betrachten und nicht nur einzelne Aspekte wie etwa die Produktion. Nur wer eine Gesamtperspektive einnimmt, kann die unvermeidbaren Zielkonflikte entschärfen. Um den planetaren Hunger nachhaltig zu stillen, braucht es keine radikalen Lösungen, sondern eine kluge Kombination aus Effizienz, sinnvollem Ressourceneinsatz (oft bezeichnet als Konsistenz) und Genügsamkeit (Suffizienz). Dann kann Biolandbau eine zentrale Rolle spielen in einem tragbaren Ernährungssystem der Zukunft.

von Adrian Müller, ETH Zürich, 18. November 2017

Originalpublikationen:

[1] Welternährungsorganisation FAO: Alexandratos, N. & Bruinsma, J. World Agriculture Towards 2030/2050. The 2012 Revision. (FAO, Rome, 2012). Link

[2] Muller, A., Schader, C., El-Hage Scialabba, N., Hecht, J., Isensee, A., Erb, K.-H., Smith, P., Klocke, K., Leiber, F., Stolze, M. and Niggli, U., 2017, Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture, Nature Communications 8:1290 | DOI: 10.1038/s41467-017-01410-w Link

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