Die Eisschilde von Grönland und der Antarktis schrumpfen zur Zeit in einem Rekordtempo. Pro Jahr verlieren sie insgesamt 500 Kubikmeter Eis. Das entspricht einer Eisschicht, die 600 Meter dick ist und sich über das gesamte Stadtgebiet Hamburgs erstreckt. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler, die mit Hilfe eines Satelliten flächendeckende Karten der Eisschilde von Grönland und der Antarktis erstellt haben.
Momentaufnahmen der Eisschilde
„Die neuen Karten sind Momentaufnahmen, die uns den aktuellen Zustand der Eisschilde zeigen. Ihre Höhenangaben sind bis auf wenige Meter genau und decken eine Eisfläche von insgesamt 16 Millionen Quadratkilometer ab. Das sind 500.000 Quadratkilometer mehr als in vorhergehenden Darstellungen, die auf Höhenmessungen basieren“, sagt Leitautor Dr. Veit Helm, Glaziologe am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.
Höhenverteilungen einzelner Gletscher…
Für die neuen digitalen Karten hatten die AWI-Wissenschaftler sämtliche Daten des CryoSat-2-Radar-Altimeters SIRAL ausgewertet. Altimeter messen die Höhe eines Eisschildes, in dem sie Radar- oder Laserimpulse Richtung Erde aussenden. Diese Signale werden von der Oberfläche des Gletschers oder von den umliegenden Wasserflächen reflektiert und anschließend wieder vom Satelliten erfasst. Den Wissenschaftlern ist es auf diese Weise gelungen, auch die Höhenverteilung einzelner Gletscher genau zu bestimmen und aussagekräftige Karten zu erstellen.
und Veränderung der Dicke der Eisschilde erfasst
Zusätzlich zu den flächendeckenden Karten der Eisschilde dokumentierten die Forscher auf Basis weiterer CryoSat-2-Daten, wie sich die Dicke der Eisschilde im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2014 verändert hat. Eisschilde wachsen, wenn Schnee auf ihre Oberfläche fällt, dort liegen bleibt und zu Eis wird. Sie verlieren Volumen und Masse, indem Eis schmilzt oder Gletscher die Eismassen Richtung Meer abtransportieren. „Wir müssen verstehen, wo und in welchem Ausmaß sich die Höhenverteilung der Gletscher verändert. Nur so können wir die Ursache dieser Veränderungen untersuchen und herausfinden, wie stark der Rückgang der Eisschilde zum Anstieg des globalen Meeresspiegels beiträgt“, sagt Veit Helm.
Für die Darstellung der Höhenveränderungen hatte das AWI-Wissenschaftlerteam über 200 Millionen SIRAL-Messpunkte für die Antarktis und rund 14,3 Millionen Messpunkte für Grönland ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass allein der grönländische Eispanzer pro Jahr rund 375 Kubikkilometer Eis einbüßt. „Wenn wir diese aktuellen Daten mit jenen des ICESat-Satelliten aus dem Jahr 2009 vergleichen, hat sich der Massenverlust des grönländischen Eisschildes seit jener Zeit verdoppelt. Die Verlustrate des Westantarktischen Eisschildes ist im gleichen Zeitraum um das Dreifache gestiegen. Rechnet man beides zusammen, nimmt das Volumen beider Eisschilde derzeit um 500 Kubikkilometern pro Jahr ab. Das ist die höchste Verlustrate seit Beginn der Satelliten-Höhenmessungen vor rund 20 Jahren“, sagt Prof. Dr. Angelika Humbert, Glaziologin am Alfred-Wegener-Institut und Co-Autorin der aktuellen Studie.
Die schnellsten Höhenveränderungen beobachten die Wissenschaftler am westgrönländischen Jakobshavn Isbræ-Gletscher sowie am Pine-Island-Gletscher in der Westantarktis. Über den Jakobshavn Isbræ wissen Forscher seit Februar 2014, dass er mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 46 Metern am Tag ins Meer fliesst. Der Pine-Island-Gletscher machte u.a. im Juli 2013 Schlagzeilen. Damals berichteten AWI-Forscher, dass ein Tafeleisberg so groß wie die Fläche Hamburgs von seiner Schelfeisspitze abgebrochen war (Link auf AWI-Pressemitteilung vom 9. Juli 2013).
Aber: Während die Gletscher der Westantarktis und auf der Antarktischen Halbinsel schrumpfen, wächst der Eispanzer der Ostantarktis – allerdings in einem so geringen Maße, dass die Zuwächse die Verluste auf der anderen Seite des Kontinents nicht ausgleichen können.
Alfred-Wegener-Insitut, 20. August 2014.