Die gegenwärtige Erwärmungspause beim Klimawandel verdanken wir nur rein zufälligen Schwankungen

Prognosen ohne systematische Fehler: Klimamodelle, wie das Modell MPI-ESM LR des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, sagen bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine deutliche Erwärmung vor allem an den Polen voraus. Die Erwärmungspause, die Klimaforscher seit der Jahrtausendwende beobachten, sagt allerdings kein Modell voraus. Das liegt allerdings nicht an systematischen Fehlern der Modelle, sondern an zufälligen Schwankungen im Klimasystem. Die Vorhersagen der Modelle sind im Rahmen der statistischen Unsicherheit also zuverlässig. © MPI für Meteorologie / Deutsches Klimarechenzentrum (DKRZ)

Prognosen ohne systematische Fehler: Klimamodelle, wie das Modell MPI-ESM LR des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, sagen bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine deutliche Erwärmung vor allem an den Polen voraus. Die Erwärmungspause, die Klimaforscher seit der Jahrtausendwende beobachten, sagt allerdings kein Modell voraus. Das liegt allerdings nicht an systematischen Fehlern der Modelle, sondern an zufälligen Schwankungen im Klimasystem. Die Vorhersagen der Modelle sind im Rahmen der statistischen Unsicherheit also zuverlässig.
© MPI für Meteorologie / Deutsches Klimarechenzentrum (DKRZ)

Die Erdoberfläche hat sich seit der Jahrtausendwende deutlich schwächer aufgeheizt, als sämtliche relevanten Klimamodelle vorhergesagt hatten. Die Kluft zwischen berechneter und gemessener Erwärmung entsteht aber nicht, wie Skeptiker der Klimaerwärmung immer wieder behaupten, weil die Modelle systematische Fehler machen. Sondern sie kommen zustanden, weil es im Klima stets zu zufälligen Schwankungen kommt. Das haben Wissenschaftler nun mit einer umfassenden statistischen Analyse belegt. Damit ist auch geklärt, dass die Modelle den menschengemachten Klimawandel nicht prinzipiell überschätzen. Die Erderwärmung wird am Ende dieses Jahrhunderts also höchstwahrscheinlich gravierende Ausmaße erreichen – wenn die Weltgemeinschaft nicht endlich beherzt dagegen vorgeht.

Im Klima regieren Zufall und Chaos. Das macht den Klimaforschern das Leben schwer. Kein Wunder, dass diese beiden unberechenbaren Akteure im Klimageschehen auch hinter dem Rätsel stecken, das Wissenschaftler seit Beginn des 21. Jahrhunderts beschäftigt. Seither ist die Temperatur der Erdoberfläche nämlich nur um etwa 0,06 Grad Celsius und somit viel schwächer gestiegen, als alle 114 Modellsimulationen, die der Klimabericht des Weltklimarates berücksichtigt, vorhergesagt hatten. Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und Piers M. Forster, Professor an der Universität Leeds in Großbritannien, erklären die Erwärmungspause nun mit zufälligen Schwankungen, die auf die chaotischen Prozesse im Klimasystem zurückgehen. Noch wichtiger für die beiden Forscher und ihre Kollegen weltweit ist jedoch, dass die beiden Forscher in den Modellen keine konzeptionellen Fehler gefunden haben. Vor allem reagieren diese nicht prinzipiell zu empfindlich auf eine Erhöhung des Kohlendioxid-Gehalts in der Atmosphäre.

„Die Behauptung, dass die Klimamodelle die Erwärmung auf Grund der zunehmenden Treibhausgaskonzentration systematisch überschätzen, ist unzutreffend“, sagt Jochem Marotzke. Genau diese Behauptung stellen Klimaskeptiker auf und führen die Erwärmungspause als Beleg an. Sie ficht dabei nicht an, dass Forscher im neuen Jahrtausend neun der zehn wärmsten Jahre seit Beginn der systematischen Klimabeobachtungen gemessen haben – die Erderwärmung also auf sehr hohem Niveau pausiert. Die Zweifler blenden auch aus, dass die Temperatur in den Ozeanen nach wie vor so stark ansteigt, wie viele Modellrechnungen vorhersagen.

Im Großen und Ganzen stimmen die simulierten Trends gut mit den gemachten Beobachtungen überein
Rückwirkend simulierte und beobachtete 15-Jahrestrends der globalen Durchschnittstemperatur am Boden seit 1900. Für jedes Jahr zwischen 1900 und 1998 gibt der 15-Jahrestrend an, wie sich die Temperatur in den darauf folgenden 15 Jahren verändern wird. Zwischen 1900 und 1914 sinkt sie beispielsweise um etwa 0,09 Grad Celsius, die Modelle sagen für dieses Startjahr einen schwächer negativen, oder gar positiven Temperaturtrend voraus. Die Farbschattierung zeigt basierend auf den verfügbaren 114 Simulationen, wie häufig ein simulierter Temperaturtrend für jedes Anfangsjahr vorkommt. Die Kreise markieren die beobachteten Temperaturtrends. Für das Jahr 1998 liegt der beobachtete Wert am unteren Rand des Ensembles der Simulationen. Das heißt die Erdoberfläche hat sich zwischen 1998 und 2012 im Schnitt schwächer erwärmt, als die Modelle es vorhersagten. © Nature 2015/MPI für Meteorologie

Rückwirkend simulierte und beobachtete 15-Jahrestrends der globalen Durchschnittstemperatur am Boden seit 1900. Für jedes Jahr zwischen 1900 und 1998 gibt der 15-Jahrestrend an, wie sich die Temperatur in den darauf folgenden 15 Jahren verändern wird. Zwischen 1900 und 1914 sinkt sie beispielsweise um etwa 0,09 Grad Celsius, die Modelle sagen für dieses Startjahr einen schwächer negativen, oder gar positiven Temperaturtrend voraus. Die Farbschattierung zeigt basierend auf den verfügbaren 114 Simulationen, wie häufig ein simulierter Temperaturtrend für jedes Anfangsjahr vorkommt. Die Kreise markieren die beobachteten Temperaturtrends. Für das Jahr 1998 liegt der beobachtete Wert am unteren Rand des Ensembles der Simulationen. Das heißt die Erdoberfläche hat sich zwischen 1998 und 2012 im Schnitt schwächer erwärmt, als die Modelle es vorhersagten.
© Nature 2015/MPI für Meteorologie

Um die rätselhafte Diskrepanz zwischen den Modellsimulationen und den Beobachtungen aufzuklären, gingen Jochem Marotzke und Piers M. Forster in zwei Schritten vor. Zunächst verglichen sie die simulierten Temperaturtrends mit den tatsächlich beobachteten Temperaturen für Zeiträume von jeweils 15 Jahren seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie betrachten also für jedes der Jahre von 1900 bis 1998, welche Temperaturentwicklung die 114 verfügbaren Modelle für die darauffolgenden 15 Jahre berechneten. Die Ergebnisse verglichen sie mit Messungen, wie die Temperatur tatsächlich stieg oder sank. Klimaforscher überprüfen, ob ihre Modelle die Wirklichkeit zuverlässig erfassen, indem sie die globale Durchschnittstemperatur und andere Klimagrößen der Vergangenheit simulieren und die Resultate mit den tatsächlich gemachten Beobachtungen vergleichen. Liegen die Simulationen einigermaßen richtig, so gehen sie davon aus, dass ihre Modelle auch brauchbare Vorhersagen für die Zukunft liefern.

Dem Vergleich halten die 114 Modellrechnungen recht gut stand, vor allem als Ensemble erfassen sie die Wirklichkeit ziemlich gut: „Im Großen und Ganzen stimmen die simulierten Trends mit den Beobachtungen überein“, sagt Jochem Marotzke. Dabei liegen die pessimistischste und die optimistischste Prognose eines Jahres für die Erwärmung in den jeweils 15 folgenden Jahren meist etwa 0,3 Grad Celsius auseinander, die Mehrzahl der Modelle sagt jedoch einen Temperaturanstieg etwa in der Mitte zwischen den beiden Extremen vorher. Die beobachteten Trends bewegen sich mal an der oberen und mal an der unteren Grenze und oft auch in der Mitte der Trends, die das Ensemble der Simulationen möglich erscheinen lässt. „Vor allem erscheinen die beobachteten Trends verglichen mit den Simulationen nicht in erkennbar bevorzugter Weise“, erklärt Marotzke. Täten sie das, läge ein systematischer Fehler in den Modellen nahe.

Keine physikalische Ursache kann die Streuung der Prognosen erklären

In einem zweiten Schritt analysierten die beiden Wissenschaftler nun, warum die Simulationen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Aus dieser Analyse lässt sich auch schließen, warum alle Prognosen für die vergangenen 15 Jahre von der tatsächlichen Entwicklung abweichen. Dafür kommen die zufälligen Schwankungen sowie drei physikalische Gründe in Frage: Die Modelle kalkulieren mit unterschiedlich viel Strahlungsenergie, die von der Sonne auf die Erdoberfläche trifft und durch den Treibhauseffekt etwa des Kohlendioxids auf der Erde gespeichert wird. Sie reagieren in ihren Prognosen aber auch unterschiedlich empfindlich, wenn sich dieser Strahlungsantrieb verändert, wenn sich also etwa der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre verdoppelt. Das heißt, die Modelle setzen den Anteil der Energie, die zu einer Erwärmung der Erdoberfläche führen, und den Anteil, der über kurz oder lang wieder ins Weltall abgestrahlt wird, unterschiedlich hoch an. Schließlich lassen alle Klimamodelle unterschiedlich viel der auf der Erde gespeicherten Energie in die Tiefen der Ozeane, einen gigantischen Wärmespeicher, abfließen.

Mit einem statistischen Verfahren berechneten Marotzke und Forster die Beiträge der einzelnen Faktoren und fanden heraus: Keiner der physikalischen Gründe erklärt die Streuung der Prognosen und die Abweichung von den Messungen, der Zufall dagegen sehr wohl. Mit ihrer Analyse entkräften die Autoren vor allem den Vorwurf, die Modelle reagierten zu empfindlich auf eine Erhöhung der Kohlendioxid-Konzentration: „Sollte eine zu große Empfindlichkeit der Modelle der Grund sein, warum die Modelle für die vergangenen 15 Jahre einen zu großen Temperaturtrend berechneten, müssten die Modelle, die von einer hohen Empfindlichkeit ausgehen, einen größeren Temperaturtrend berechnen als die anderen“, sagt Piers Forster. Das ist jedoch nicht der Fall. Und das, obwohl manche mit einer dreimal höheren Empfindlichkeit rechnen als andere.

Die Erderwärmung wird sich fortsetzen

„Die unterschiedliche Empfindlichkeit erklärt eigentlich gar nichts“, sagt Jochem Marotzke. „Das habe ich erst geglaubt, nachdem ich die Daten hinter unseren Grafiken intensiv studiert hatte.“ Bislang gingen die Klimaforscher selbst davon aus, dass ihre Modelle unterschiedliche Temperaturanstiege simulieren, weil sie unterschiedlich empfindlich auf das Mehr an Sonnenenergie in der Atmosphäre reagieren. Dass dem nicht so ist, wird die Gemeinde der Klimaforscher einerseits erleichtert aufnehmen, andererseits aber vielleicht auch mit einer leisen Enttäuschung. Nun können sie nämlich an keiner Schraube drehen, um die Vorhersagen ihrer Modelle noch präziser zu machen – denn der Zufall besitzt keine.

Und unabhängig von ihrem Anspruch als Wissenschaftler dürften sie noch einen Grund haben, auf die Studie mit gemischten Gefühlen zu reagieren. Sie gibt nämlich keine Entwarnung: Die Klimaforscher liegen mit ihren Vorhersagen ziemlich richtig. Das heißt: Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird sich die Erde weiter aufheizen – mit weitreichenden Folgen vor allem für die Entwicklungsländer, die sich heute nur erahnen lassen.

Max-Planck-Gesellschaft, 28. Januar 2015

 

Originalpublikation:

Jochem Marotzke und Piers M. Forster. Forcing, feedback and internal variability in global temperature trends. Nature, 29. Januar 2015; doi:10.1038/nature14117

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