Straßenbeleuchtung lässt manche Vögel früher im Jahr singen

Die Schattenseiten der Straßenbeleuchtung: Nächtliches Kunstlicht verändert das Singverhalten von Vögeln. © MPI für Ornithologie

Die Schattenseiten der Straßenbeleuchtung: Nächtliches Kunstlicht verändert das Singverhalten von Vögeln.
© MPI für Ornithologie

Unter dem Einfluss nächtlicher Straßenbeleuchtung beginnen vier von sechs untersuchten Singvogelarten früher im Jahr zu singen. Das ergaben nun Gesangsaufnahmen von Wissenschaftlern. Die Forscher verglichen vom Winter bis ins Frühjahr dunkle Lebensräume mit solchen, die von Straßenlaternen beleuchtet wurden. Wie sie beobachteten, wirkt sich das künstliche Licht sowohl auf das morgendliche als auch die abendliche Gesansgverhalten aus. Besonders die Frühaufsteher unter den Vögeln singen unter dem Einfluss von Kunstlicht früher im Jahr, sie scheinen dadurch stärker beeinflusst zu werden. Ob der frühere Beginn ihres Gesangs Konsequenzen für ihre biologische Fitness hat, muss noch untersucht werden.

Vor allem in den Städten machen Straßenlaternen, Ampeln oder Wohnbeleuchtung die Nacht immer mehr zum Tag. Dass künstliches Nachtlicht negative Auswirkungen auf wildlebende Tiere hat, ist mittlerweile unbestritten. So werden etwa nachtaktive Tiere, zu denen auch Vögel während ihres Zuges gehören, durch Kunstlicht angezogen. Dies kann ihre Orientierung stören und zum Tod von Millionen von Tieren durch Kollision mit beleuchteten Objekten führen.

Ein subtilerer, aber mit ökologischen und evolutionären Konsequenzen verbundener Effekt der künstlichen nächtlichen Beleuchtung sind Veränderungen des natürlichen Aktivitätsrhythmus vieler Tiere. Weil die innere biologische Uhr durcheinander gerät, sind tagaktive Tiere morgens früher oder bis in die Abendstunden hinein aktiv. Im Winter wurde in Städten sogar beobachtet, dass Vögel nachts auf Nahrungssuche gehen. Darüber hinaus ändern sich auch saisonale Verhaltensmuster, vor allem in der gemäßigten Zone. Dort etwa beginnen Amseln unter dem Einfluss von Kunstlicht bis zu einem Monat früher zu brüten.

Arnaud Da Silva, Mihai Valcu und Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben nun die morgen- und abendlichen Gesänge der Männchen von sechs Singvogelarten in Süddeutschland untersucht: Rotkehlchen, Amsel, Singdrossel, Blaumeise, Kohlmeise und Buchfink. Alle diese Arten unterscheiden sich in ihrem saisonalen Gesang. Blau- und Kohlmeise singen generell als Erste im Jahr, manchmal ist ihr Gesang sogar schon im Winter zu hören. Buchfink und Amsel beginnen ungefähr ab Mitte Februar zu zwitschern; am Ende des Monats kommt dann das Rotkehlchen hinzu. Schlusslicht bildet die Singdrossel, sie kehrt nicht vor Anfang März aus ihren Winterquartieren zurück.

Das Rotkehlchen gehört zu den Vogelarten, die von der nächtlichen Beleuchtung am stärksten beeinflusst werden. © MPI für Ornithologie

Das Rotkehlchen gehört zu den Vogelarten, die von der nächtlichen Beleuchtung am stärksten beeinflusst werden.
© MPI für Ornithologie

Die Wissenschaftler verglichen durch tägliche Gesangsaufnahmen zwischen Januar und April sechs dunkle Standorte mit sechs weiteren, die nachts von Straßenlaternen beleuchtet waren. „Interessanterweise hatte das künstliche Nachtlicht den größten Effekt auf das Rotkehlchen und die Amsel, die beide natürlicherweise lange vor Sonnenaufgang singen und so vom künstlichen Licht wohl am stärksten beeinflusst werden“, sagt Arnaud Da Silva. Kohlmeisen und tendenziell auch Blaumeisen begannen mit ihren Gesängen unter Lichteinfluss ebenfalls früher in der Saison. Die Singdrossel hingegen sang morgens unter Straßenbeleuchtung erst später im Jahr, möglicherweise, weil die Vögel diese Territorien zunächst mieden. Bei Buchfinken fanden die Wissenschaftler keinen Effekt. Bei allen Arten waren Morgen- und Abendgesang vom Wetter beeinflusst: An regnerischen und für die Jahreszeit zu kalten Tagen waren weniger Gesänge zu hören.

Das morgendliche und abendliche Gezwitscher dient sowohl der Verteidigung des Territoriums als auch dem Anlocken von Paarungspartnerinnen. „Es ist wahrscheinlich, dass die saisonale Verschiebung des Gesangs Konsequenzen für die Fitness der Tiere hat“, sagt Bart Kempenaers. Bei einer erhöhten Fitness würde man erwarten, dass die Vögel durch ihren veränderten Rhythmus mehr Nachkommen haben, etwa dadurch, dass sie früher im Jahr brüten. Die Verschiebung könnte jedoch auch nachteilig sein – wenn beispielsweise für die Jungen zu dieser Zeit noch nicht genügend Futter zur Verfügung steht. „Was wir jetzt brauchen, ist ein umfangreicheres Verständnis der Auswirkungen des künstlichen Nachtlichtes auf natürliche Populationen. Dies wird uns helfen, Strategien zur Minimierung der störenden biologischen Effekte zu entwickeln.“

Max-Planck-Gesellschaft, 16. März 2015

 

Originalpublikation:

Da Silva, Arnaud; Valcu, Mihai and Kempenaers, Bart. Light pollution alters the phenology of dawn and dusk singing in common European songbirds. Philosophical Transactions B; Online publiziert am 16. März 2015. DOI: 10.1098/rstb.2014.0126

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