Die Pupillenform verrät, ob ein Tier ein Raubtier oder ein potentielles Beutetier ist. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler, nachdem sie die Pupillenform von über 200 Tierarten, darunter Huftieren, Reptilien, Hunden und Katzen untersucht haben. Demnach haben die meisten Raubtiere, die ihrer Beute auflauern, wie Krokodile oder Füchse vertikale Pupillen. Potentielle Beutetiere, wie Ziegen und Gazellen haben dagegen oft horizontale Pupillen. Mit vertikalen Pupillen lassen sich Entfernungen gut abschätzen. Raubtiere können so ihrer Beute besser auflauern. Während horizontale Pupillen einen Panorama-artigen Rundumblick erlauben, um jederzeit potentielle Angreifer auszumachen.
Durch die Untersuchung der Pupillenform von 214 Tierarten kam ein internationales Forscherteam um Martin Banks von der Universität Berkeley in den USA zu dem Ergebnis, dass die Pupillenform darüber Aufschluss gibt, ob ein Tier ein Raubtier oder ein mögliches Beutetier ist. Bei Tieren mit vertikalen Pupillen handelt es sind meist um Räuber, die ihrer Beute bei Tag oder Nacht auflauern. Ihre Augen sitzen vorne am Kopf, so dass sie ein optimales räumliches Sehen erlauben, mit dem sich Entfernungen gut abschätzen lassen. Die meisten Tiere mit horizontalen Pupillenschlitzen sind dagegen pflanzenfressende mögliche Beutetiere. Für eine gute Rundumsicht liegen ihre Augen an der Seite ihres Kopfes. Runde Pupillen herrschen dagegen bei Tieren vor, die aktiv jagen und ihre Beute über längere Strecken verfolgen, wie etwa Löwen und Tiger.
Bereits 1942 hatte Gordon Walls die weithin anerkannte Theorie aufgestellt, schlitzförmige Pupillen erlaubten, mithilfe einer speziell hierfür entwickelten Muskulatur, eine größere Bandbreite an Licht ins Auge einfallen zu lassen. So können sich etwa die vertikalen Pupillen von Hauskatze und Gecko jeweils um das 135- bzw. das 300-fache weiten. Während unsere runden Pupillen sich nur um das 15-fache vergrößern können. Tiere, wie etwa Katzen, die sowohl tagsüber als auch nachts aktiv sind können dank ihrer schlitzförmigen Pupillen sowohl in der Dämmerung als auch am helllichten Tage gut sehen.
Der Vorteil vertikaler Pupillen für Beutetiere
Doch warum besitzen vor allem weidende Tiere, wie Pferde, Rehe und Gazellen horizontale Schlitze? Um das herauszufinden untersuchten die Forscher die Auswirkungen der Orientierung der Pupillenschlitze mit Hilfe von Computermodellen. Dabei fanden sie heraus, dass horizontale Pupillen das Gesichtsfeld massiv erweitern. Pupillen die parallel zum Boden ausgerichtet sind können mehr Licht von vorne, der Seite und von hinten aufnehmen. Gleichzeitig wird der Blendeffekt durch das von oben einstrahlende Sonnenlicht minimiert, so dass die Tiere den Boden besser im Auge behalten können. Das ist überlebensnotwendig für mögliche Beutetiere, die sich anschleichende Raubtiere rechtzeitig erkennen müssen. Dabei hilft ihnen ihr Panorama-artiger Blick über den Boden. Und wenn tatsächlich ein Räuber auftaucht müssen sie aus ihren Augenwinkeln gut erfassen können, wohin sie am besten und so schnell wie möglich fliehen und dabei etwaige Hindernisse überwinden.
Was aber passiert mit der Ausrichtung der Pupillen, wenn die Tiere ihren Kopf zum Grasen senken? Um diese Frage zu beantworten verbrachte Banks Stunden damit im Oaklander Zoo verschiedene Tiere, wie Ziegen und Antilopen beim Grasen zu beobachten. Dabei sah er immer wieder, dass die Augen der Tier rotierten, um ihre horizontale Ausrichtung beizubehalten. Dazu können sie sich um 50 Grad und mehr drehen. Das ist das 10-fache von dem, wozu menschliche Augen fähig sind.
Viele Raubtiere blicken durch vertikale Pupillen auf ihre Opfer
Für Raubtiere, die ihrer Beute auflauern ist es besonders wichtig, dass sie mit ihren Augen den Abstand bis zu ihrer Beute richtig einschätzen können. Den Forschern zufolge könnten hierbei drei Faktoren vertikale Pupillen begünstigen: räumliches Sehen, die Bewegungsparallaxe, bei der sich, wenn das Tier den Kopf dreht, nähere Objekte schneller durch das Gesichtsfeld bewegen. als entferntere und die Unschärfe, nach der je nach Fokussierung der Augen andere Objekte nicht mehr als scharf wahrgenommen werden. Da ein sich anschleichendes Raubtier unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, wenn es den Kopf hin und her bewegt, schlossen die Forscher die Bewegungsparallaxe als Grund für die vertikalen Pupillenschlitze aus. Doch räumliches Sehen und die Unschärfe ergänzen sich gut mit einer vertikalen Pupillenform und vorne am Kopf liegenden Augen.
Das räumliche Sehen funktioniert besser, wenn die Umrisse eine vertikale Ausrichtung haben und die betrachteten Objekte weiter entfernt sind. Die Unschärfe dagegen wird zur Wahrnehmung horizontaler Konturen und naher Objekte eingesetzt. Vertikale Pupillen unterstützen demnach beide dieser Faktoren.
Doch nicht alle ihrer Beute auflauernden Jäger verfügen über vertikale Pupillen. Zur Überraschung der Forscher besitzen vor allem kleinere Raubtiere, die nahe am Boden jagen vertikale Pupillen. Das trifft etwa auf Hauskatzen und Füchse zu. Größere Katzen, wie Löwen und Tiger haben dagegen runde Pupillen, wie wir Menschen und Hunde.
Von den 65 untersuchten, ihrer Beute auflauernden Raubtieren, deren Augen vorne am Kopf sitzen hatten 44 vertikale Pupillen und 36 von ihnen hatten eine Schulterhöhe, die niedriger als 42 cm ist. Folglich scheinen vertikale Pupillen vor allem kleinen Jägern dabei zu helfen den Abstand zu ihrer Beute einzuschätzen. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler können kleinere Tiere die Unschärfe zur Abschätzung von Entfernungen besser nutzen als größere Raubtiere.
Die bisherigen Untersuchungen der Forscher beziehen sich nur auf an Land lebende Tiere. In zukünftigen Analysen wollen sie auch die Pupillenform und deren Bedeutung bei im Wasser lebenden, fliegenden und auf Bäumen lebenden Tieren untersuchen.
Universität Berkeley, USA, 7 August 2015.
Videobeitrag zu den Forschungsergebnissen:
Originalpublikation:
Martin S. Banks1,2,, William W. Sprague1, Jürgen Schmoll, Jared A. Q. Parnell and Gordon D. Love. Why do animal eyes have pupils of different shapes? Science Advances 07 Aug 2015: Vol. 1, no. 7, e1500391. DOI: 10.1126/sciadv.1500391