Urpferdchen verfügte bereits vor 48 Millionen Jahren über eine komplexe Plazenta

Trächtige Urpferdchen-Stute (Eurohippus messelensis) © Senckenberg

Trächtige Urpferdchen-Stute (Eurohippus
messelensis) © Senckenberg

Wissenschaftler haben den Fötus einer 48 Millionen Jahre alten Urpferdchen-Stute untersucht. Der Fund stammt aus der Grube Messel. In dem ungewöhnlich gut erhaltenen Fossil entdeckte das Forscherteam eine versteinerte Gebärmutter mit Mutterkuchen. Damit ist dies weltweit der älteste Fund dieses Fortpflanzungssystems. Demnach entwickelte sich der Fortpflanzungsapparat bei den Vorfahren der heutigen Pferde früher, als bisher angenommen.

Im Mutterleib heranwachsende Säugetiere sind von einer speziellen Hülle umgeben: Der Uteroplazenta. Sie schützt und ernährt den heranwachsenden Embryo. In Fossilien ist dieses, aus Plazenta und Uteruswand bestehende Gewebe jedoch äußerst selten erhalten. Der bisher älteste Fund einer Urpferdchenstute stammt aus den 44 Millionen Jahre alten Ablagerungen des Eckfelder Maars in der Eifel. „Wir haben in den vergangenen Jahren eine 48 Millionen Jahre alte trächtige Urpferdstute aus dem UNESCO Welterbe Grube Messel untersucht und dabei eine exzellent erhaltene Uteroplazenta entdeckt“, erläutert Jens Lorenz Franzen, ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Messelforschung des Senckenberg Forschungsinstituts in Frankfurt. „Dies ist sowohl die älteste als auch die am besten erhaltene Uteroplazenta, die jemals von einem plazentalen Säugetier beschrieben wurde.“

Der Embryo der Urpferdchen-Stute (Eurohippus messelensis) ist außergewöhnlich gut erhalten: es sind noch fast alle Knochen vorhanden und sie befinden sich – mit Ausnahme des rechten Vorderbeins – noch immer an der richtigen Position im Gelenkverbund. Nur der Schädel ist in seine Einzelteile zerfallen. Deshalb konnten die Forschern das Aussehen und die Lage des Fötus rekonstruieren.

Rekonstruktion des Urpferd-Fötus. © Senckenberg

Rekonstruktion des Urpferd-Fötus. © Senckenberg

Die Urpferdchen-Stute stand urz vor der Geburt, denn der Kopf des Embryos befindet sich in der Nähe des Geburtskanals. Auch die Lage der Glieder und der Entwicklungszustand der Knochen entspricht denen heutiger Fohlen kurz vor dem Gebären. Die Wissenschaftler gehen jedoch nicht davon aus, dass der Geburtsvorgang den Tod des trächtigen Unpaarhufers auslöste. Franzen mutmaßt: „Vielleicht fiel das Muttertier am damaligen Maarsee von Messel giftigen Gasen spätvulkanischen Ursprungs zum Opfer, vielleicht wurde es aber auch von einem der zahlreichen Krokodile getötet, als es zum Trinken ans Ufer des Sees kam.“

Die Tragzeit der Messeler Urpferdchen ist schwer zu ermitteln. „Heutige Pferde sind etwa 11 Monate (=315 bis 340 Tage) trächtig“, erklärt Christine Aurich von der Veterinärmedizinischen Universität in Wien. „Wir gehen davon aus, dass die Tragzeit bei den Urpferdchen geringer war und bei etwa 200 Tagen lag.“ Darüber hinaus bestätigt der Fund die Annahme, dass bereits die Vorläufer der heutigen Pferde in der Regel nur ein Jungtier zur Welt brachten.

Fossiler Fötus mit Uteroplazenta © Senckenberg

Fossiler Fötus mit Uteroplazenta © Senckenberg

Das deutsch-österreichische Team untersuchte das Urpferdchen mit Hilfe der klassischen Anatomie, hochauflösenden Röntgenaufnahmen sowie Rasterelektronenmikroskopie. Dabei überraschte die Forscher, wie früh sich die Fortpflanzungsorgane in der Evolution entwickelt haben. „Die differenzierte Uterusplazenta zeigt uns, dass die Evolution einer modernen Gebärmutter wahrscheinlich im Paläozän vor etwa 66 bis 56 Millionen Jahren, möglicherweise aber noch früher stattfand“, erläutert Franzen. Offenbar verfügten die Urpferde bereits über ein hoch entwickeltes Fortpflanzungsorgan, während ihr Fortbewegungsapparat noch recht primitiv war.

„Wir sind aus Messel außergewöhnlich gut erhaltene Fossilien ‚gewöhnt‘. Dieser Fund, und vor allem die Erhaltung des Gebärmuttergewebes, ist aber auch für uns eine echte Sensation“, resümiert Franzen.

Senkenberg Gesellschaft, 07.10.2015

 

Originalpublikation:

Jens Lorenz Franzen, Christine Aurich, Jörg Habersetzer (2015): Description of a well preserved fetus of the European Eocene Equoid Eurohippus messelensis. PLOS ONE. doi: 10.1371/journal.pone.0137985

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