Artenvielfalt auf dem Waldboden sorgt für effektiven Laubabbau

Ameisen in der Laubstreu, Nationalpark Hainich-Dün, Deutschland © Ilka Mai, Biodiversitäts-Exploratorien

Ameisen in der Laubstreu, Nationalpark Hainich-Dün, Deutschland © Ilka Mai, Biodiversitäts-Exploratorien

Wälder bilden vielfältige Lebensgemeinschaften mit geschlossenen Stoffkreisläufen. So müssen etwa die im Herbst herabgefallenen Blätter durch das Zusammenwirken vieler Kleinlebewesen zersetzt werden, damit die in ihnen gebundenen Nährstoffe dem Ökosystem wieder zugeführt werden können. Diese Lebewesen bilden komplexe Nahrungsnetze, ohne die das Ökosystem Wald nicht funktionieren kann. Wie Forscher nun entdeckt haben, sind hierbei vor allem zwei Faktoren wesentlich: die Zahl der dort vorhandenen Tiere, sowie deren Artenvielfalt.

Bisher wurde die Bedeutung der Biodiversität für ein funktionierendes Ökosystems meist nur auf kleinen Versuchsflächen getestet. Doch auf solchen Flächen kann zwar die Artenzahlen gut kontrolliert werden, die ist dafür jedoch meist relativ niedrig und die Nahrungsnetze nur wenig komplex. Deshalb haben Forscher nun untersucht, ob sich die Ergebnisse dieser Experimenten auf reale Lebensgemeinschaften übertragen lassen. Dazu sammelten sie in 80 Wäldern Deutschlands und Sumatras, in Indonesien, auf jeweils einem Quadratmeter Boden das gesamte Laub ein, um die darin lebenden Tiere zu bestimmen: Vor allem Insekten, Spinnen und Schnecken: Insgesamt erfassten sie auf diese Weise über 12.000 Individuen, die zu knapp 1.200 verschiedenen Arten gehören. Anhand dieser Daten berechneten sie die Energie, die durch das Nahrungsnetz in der Laubstreu fließt. Das wiederum gab ihnen Aufschluss über den Abbau des Laubes am Waldboden.

Buchenwald, Nationalpark Hainich-Dün, Deutschland © Anett Richter, UFZ/iDiv

Buchenwald, Nationalpark Hainich-Dün, Deutschland © Anett Richter, UFZ/iDiv

Die Nahrungsnetze, in der die in den Blättern gespeicherte Energie abgebaut wird, sind sehr komplex. So fressen etwa Springschwänze die herabgefallenen Blätter. Diese werden von Milben gefressen, denen wiederum Räuber wie Spinnen auflauern. Gemeinsam mit Pilzen und Bakterien zersetzten diese Bodentiere das herabfallende Laub, so dass die in ihm gespeicherten Nährstoffe wieder anderen Lebewesen zur Verfügung stehen. Daher erfüllen diese Bodenlebewesen eine zentrale Rolle für das Ökosystem Wald. Ohne sie würden sich die Blätter innerhalb weniger Jahre meterhoch auftürmen. „Die Zersetzer sind für den Wald, was die Müllabfuhr für unsere Städte ist“, erklärt Studienleiter Ulrich Brose, Leiter der Forschungsgruppe Biodiversitätstheorie am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung iDiv.

Tiefland-Regenwald, Sumatra, Indonesien. © Katja Rembold, Georg-August-Universität Göttingen

Tiefland-Regenwald, Sumatra, Indonesien. © Katja Rembold, Georg-August-Universität Göttingen

Der Fluss an Nahrungsenergie durch die Laubstreu, so das Ergebnis der Forscher, ist dann besonders hoch, wenn die Zersetzergemeinschaft möglichst viele Individuen verschiedener Arten enthält. Solche Gemeinschaften fanden die Forscher vor allem in naturnahen, wenig bewirtschafteten Wäldern, sowohl in Deutschland als auch auf Sumatra. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Funktion von natürlichen und komplexen Ökosystemen letztlich durch einfache Zusammenhänge bestimmt wird: Je mehr einzelne Tiere vorhanden sind und je größer deren Artenreichtum, umso besser funktioniert das System“.

Dabei spielt laut den Forschern die genaue Zusammensetzung der Tiergemeinschaft, sowie die Eigenschaften der einzelnen Arten eine untergeordnete Rolle. Damit unterschiedet sich das Ergebnis von bisherigen Studien. Das erklären sich die Forscher wie folgt: „Sind insgesamt weniger Arten vorhanden, wie es auf kontrollierten Versuchsflächen gewöhnlich der Fall ist, ist der Einfluss einzelner Arten hoch. In großen Artengemeinschaften fallen einzelne Arten aber offenbar weniger ins Gewicht und es gilt die einfache Regel ‚mehr ist besser‘“, so Brose. „Dass dies offenbar für Wälder in Indonesien und Deutschland gleichermaßen gilt, war schon eine Überraschung,“ ergänzt der Erstautor der Studie, Andrew Barnes. Denn nicht nur die Wälder selbst, sondern auch die Bewirtschaftung der beiden Gebiete unterscheiden sich deutlich.

Die Waldstücke, in denen die Forscher ihre Proben sammelten, lagen auf Sumatra bis zu 90 Kilometer und in Deutschland bis zu 630 Kilometer voneinander entfernt. Außerdem unterschieden sie sich darin, wie stark sie vom Menschen genutzt und beeinflusst wurden. Die Untersuchungsflächen auf Sumatra reichten von urwaldähnlichen Gebieten bis hin zu Monokulturen von Ölpalmen, jene in Deutschland von unbewirtschaftetem Buchenwald bis hin zu stark genutztem Nadelwald. Die deutschen Flächen lagen unter anderem im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin (Brandenburg), dem Biospährengebiet Schwäbische Alb (Baden-Württemberg) sowie im Gebiet Hainich-Dün (Thüringen), das teilweise ein Nationalpark ist. Sie gehören zur Forschungsplattform „Biodiversitäts-Exploratorien“.

Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), 04.Juni 2016

Originalpublikation:

Andrew D. Barnes, Patrick Weigelt, Malte Jochum, David Ott, Dorothee Hodapp, Noor Farikhah Haneda, Ulrich Brose (2016): Species richness and biomass explain spatial turnover in ecosystem functioning across tropical and temperate ecosystems. Philosophical Transactions of the Royal Society B – Biological Sciences. 371 20150279; DOI: 10.1098/rstb.2015.0279. Erschienen am 25 April 2016 im Sonderband ‘Biodiversity and ecosystem functioning in dynamic landscapes’, Hrsg. Ulrich Brose und Helmut Hillebrand.

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