Artenreiche Ökosysteme erlauben zuverlässigere Nahrungsversorgung

Elefantenherde © M. Disdero. CC BY-SA 2.5

Elefantenherde © M. Disdero. CC BY-SA 2.5

Artenreiche Ökosysteme fördern das Gedeihen großer und schwerer Tiere. Denn in ihnen ist die Biomasseproduktion stabiler und vorhersagbarer. Aufgrund ihrer komplexen Nahrungsnetze ist die Biomasse in solchen Systemen genauso groß, wie in artenarmen Ökosystemen. Und das obwohl in den komplexeren Netzen mehr Pflanzen gefressen werden. Möglich ist dies durch die Entwicklung von Pflanzengemeinschaften, die effizienter wachsen.

Ökosysteme beruhen auf dem Prinzip des Fressens und Gefressen-Werdens. Pflanzen stehen dabei am Beginn der Nahrungskette: Sie werden von Pflanzenfressern vertilgt, die ihrerseits auf dem Speiseplan von Fleischfressern stehen. Kleinere Fleischfresser wiederum können größeren Raubtieren zum Opfer fallen. Viele der Tiere am oberen Ende der Nahrungskette sind Generalisten, die mitunter auch pflanzliche Nahrung nicht verschähen. So entstehen dichte Nahrungsnetze, in denen es viele komplexe Fraßbeziehungen gibt. Doch was passiert mit diesen Netzen, wenn die Artenvielfalt abnimmt?

Ein Team um Florian Schneider vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum hat ein neues mathematisches Modell erstellt, das diese Frage zu beantworten sucht. „Wir haben am Computer 20.000 Ökosysteme und die darin ablaufenden Fraßvorgänge simuliert; von Ökosystemen mit wenigen Tier- und Pflanzenarten bis hin zu Ökosystemen mit über hundert Arten. Welche Arten und wieviele Individuen von jeder Tier- und Pflanzenart bis zum Ende überleben, ist am Anfang noch offen. Die Körpermasse einer Art ist entscheidend, denn von ihr hängt nicht nur die Fraßmenge (bei Tieren) und der Stoffwechsel ab, sondern vor allem auch die Fraßpräferenz“, erklärt Schneider.

Stabile Biomasseproduktion trotz mehr Fraßfeinden

Zur Überraschung der Forscher, produzierten die Pflanzen in komplexen Ökosystemen genauso viel Biomasse wie in Simulationen in denen die Artenvielfalt der Fraßfeinde gering war. Und das obwohl mit steigender tierischer Artenvielfalt sowohl die Menge an gefressenen Pflanzen, als auch die Zahl der sich gegenseitig fressenden Tiere zunahm. Das vereint zwei vermeintlich widersprüchliche Annahmen: Laut der einen sollen artenreiche Tiergemeinschaften die Pflanzenbiomasse fördern, indem sich die Generalisten gegenseitig dezimieren. Laut der anderen soll das Pflanzenwachstum beeinträchtigt werden, weil die vielen verschiedenen Tierarten auch eine größere Zahl an unterschiedlichen Pflanzenarten vertilgen.

In artenarmen Ökosystemen überwiegen kleinere Tiere

Im Modell der Forscher treten beide Phänomene gleichzeitig auf. Denn mit der Anzahl der Arten verändert sich auch deren Zusammensetzung. In Ökosystemen, in denen weniger verschiedene Tierarten vorkommen, überwiegen kleinere Arten mit geringerer Körpermasse. Vom Artenreichtum eines Ökosystems profitieren vor allem die großen Tiere an der Spitze der Nahrungskette. „Insgesamt ist das Gesamtgewicht der Tiere in artenreichen Ökosystemen daher höher als in artenarmen Ökosystemen“, so Schneider. „Außerdem gibt es in artenreichen Ökosystemen mehr langsam wachsende, größere Pflanzen.“

Effizienteres Pflanzenwachstum in artenreichen Ökosystemen

Das erhöht die Effizienz der komplexen Ökosysteme, denn große Pflanzen verbrauchen bei ihrem Wachstum weniger Energie, etwa durch Atmung, als kleinere Pflanzen. Daher gilt: Je artenreicher eine Tiergemeinschaft, desto energetisch effektiver ist das Wachstum der Pflanzenwelt. Zwar fressen die größeren Tiere in artenreichen Ökosystemen mehr Pflanzen. Dieser Verlust wird jedoch durch das effizientere Wachstum der großen Pflanzen wieder ausgeglichen. So bleibt die Biomasseproduktion der Pflanzen in artenreichen Ökosystemen ungefähr gleich hoch, wie in artenarmen Systemen. Davon profitieren wiederum die Tiere: Sie können in diesen Systemen zahlreicher gedeihen und mehr Biomasse bilden.

Biomasseproduktion in artenarmen Ökosystemen schwerer vorhersagbar

Das vom Menschen verursachte Artensterben kann drastische Folgen für die Biomasseproduktion haben. „Unsere Simulationen zeigen, dass artenreiche Ökosysteme Biomasse in einem relativ stabilen, vorhersagbaren Ausmaß produzieren. In artenarmen Ökosystemen ist hingegen eine Entwicklung in beide Richtungen möglich; d.h. es wird viel mehr oder viel weniger Biomasse produziert. Das Wohl der Menschen hängt in vielerlei Hinsicht von der Verlässlichkeit der Biomasseproduktion ab. Artenreichtum bringt demnach größere Sicherheit“, resümiert Schneider.

Senkenberg Gesellschaft, 05 Oktober 2016

Originalpublikation:

Schneider, Florian D., Brose, U., Rall, B.C. and Guill, C. (2016): Animal diversity and ecosystem functioning in dynamic food webs, Nature Communications. Doi: 10.1038/ncomms12718

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