Des Menschen bester Freund begleitet uns vermutlich schon seit rund 30.000 Jahren. Die Jäger und Sammler, denen er sich ursprünglich anschloss versorgten ihn mit dem, was er zum Überleben brauchte: Fleischreste von der gemeinsamen Jagd. Doch mit der neolithischen Revolution änderten unsere Vorfahren ihren Lebensstil: Sie wurden sesshaft und betrieben Landwirtschaft. An die damit verbundene neue Nahrungsangebot musste sich nicht nur der Mensch, sonder auch der Hund anpassen. Forscher haben nun entdeckt, wie Hunden diese Umstellung gelang.
Wölfe ernähren sich hauptsächlich von mittelgroßen bis großen Pflanzenfressern. Zur Not begnügen sie sich auch mit kleinerer Beute, wie Hasen oder Mäusen. Doch diese kleinen Happen reichen auf Dauer nicht aus, um ein Wolfsrudel statt zu bekommen. Denn Wölfe benötigen täglich eine Fleischration, die 10 bis 20% ihres Körpergewichts entspricht. Bei einem 40 kg schweren Wolf sind das 4,0–8,4 kg Fleisch pro Tag. Sind Lachse zur Zeit ihrer großen Wanderungen in den Flüssen Kanadas reichlich vorhanden, so halten sie sich auch an diesen gütlich. Gelegentlich fressen sie auch Obst, wie etwa Äpfel. Und in schlechten Zeiten nehmen sie sogar mit Abfällen vorlieb.
Doch dann gab es da immer mehr von diesen jagenden Zweibeinern, die immer mal ein paar Knochen ihrer Jagdbeute hinterließen. Zumindest in schlechten Zeiten wird der eine oder andere Wolf diese Überreste nicht verschmäht haben. So lernten die ersten Wölfe, dass es sich lohnt, bei den Lagern der Menschen vorbeizuschauen. Und auch die menschlichen Jäger könnten hin und wieder versucht haben, Wölfen ihre Beute streitig zu machen, wie es Jang Rong eindrücklich in seinem Roman, der „Zorn der Wölfe“ für die Mongolei beschreibt. Auf diese Weise könnten sich die Wege von Menschen und Wölfen immer wieder gekreuzt und jeder den anderen als geschickten Jäger respektieren gelernt haben. Doch auch heute noch jagen sich verschiedene Jäger nicht selten gegenseitig. So werden auch die menschlichen Jäger Wölfe in ihren Bauen gejagt und dann jedoch ein oder mehrere junge Wölfe für ihre Frauen oder Kinder mit nach Hause genommen haben.
Zunächst mögen die wuseligen Kleinen nur als Spielkameraden gedient haben. Doch als sie größer wurden müssen die Menschen bemerkt haben, wie nützlich ihnen die Tiere sein können. So könnten sie etwa Alarm geschlagen haben, als die Nachbarhorde versuchte die schlafende Menschengruppe nachts in ihrer Höhle zu überfallen und zu berauben. Oder die Jäger nahmen die Jungwölfe mit auf ihre Streifzüge und entdeckten, dass sie Wild viel besser aufspüren können, als sie selbst. Damit war der Grundstein für die Domestikation des Hundes gelegt.
Doch bis zur Entwicklung des Haushundes war es noch ein weiter Weg. Alleine 61 Gene, die im Gehirn aktiv sind mussten sich für die Wandlung des Wolfes zum Hund verändern. Diese Varianten mögen dem Hund erlaubt haben uns Menschen besser zu verstehen. So können etwa Hunde Zeigegesten richtig interpretieren, während Wölfe diese Signale nicht zu deuten wissen. Und um mit ihrem Menschen ein enges Band zu knüpfen mussten Hunde dazu in der Lage sein, uns direkt ins Gesicht zu sehen. So eroberten sie unsere Herzen. Denn dabei wird bei beiden Beteiligten das soziale Bindungen fördernde Hormon Oxytocin freigesetzt. Gleichzeitig mussten die angehenden Hunde sich daran gewöhnen sich in einer von Menschen dominierten Umgebung zurecht zu finden. Auch das dürfte mit genetischen Anpassungen verbunden gewesen sein.
Aber auch an das neue Nahrungsangebot in Gesellschaft des Menschen musste sich der angehende Hund erst anpassen. Die Jäger und Sammler dürften den Einsatz ihrer vierbeinigen Jagdgefährten noch mit einer Fleischration belohnt haben. Möglicherweise erlegten sie sogar besondere Beutetiere, um ihre Hunde damit zu versorgen. Das spiegelt sich auch in den Genen der ersten Hunde wider. Wie die meisten Wölfe, Kojoten und Goldschakale verfügten sie nur über zwei Kopien eines Amylasegens namens Amy2B, mit der sie im Darm Stärke in Maltose spalten können. Wie bei anderen Genen auch stammt eines der Gene von der Mutter und das andere vom Vater. Das ist beim Sibirischen Husky und dem Dingo, einem australischen Wildhund, auch heute noch so. Denn die Menschen, mit denen diese Hunde zusammen leben sind bis heute dem Jäger und Sammlertum treu geblieben. So sind die Sibirischen Huskies seit Jahrhunderten unentbehrliche Begleiter nordsibirischer Nomadenvölker, wie etwa der Tschuktschen. Bei den australischen Dingos dagegen handelt es sich um bereits vor Jahrtausenden verwilderte Haushund, die inzwischen unabhängig vom Menschen leben.
Doch als ihre Menschen vor rund 7000 Jahren dazu übergingen Landwirtschaft zu betreiben mussten sich auch die Hunde an die neue Nahrung anpassen. Nun standen weniger Fleisch und dafür mehr Fett und Kohlenhydrate auf dem Speiseplan. Deshalb veränderten sich bei ihnen zehn Gene, die für den Abbau dieser Nährstoffe zuständig sind. Dabei vervielfältigte sich die Zahl ihrer Amylasegene. So verfügten etwa Hunde aus der Zeit der neolithischen Revolution in Rumanien und der Türkei bereits über acht Amylasegene.
Doch damit fing die Anpassung des Hundes an das veränderte Nahrungsangebot erst an. Heute lebende Hunde besitzen vier bis 30 Kopien des Amy2B Gens. Damit nicht genug werden diese Gene bei Hunden auch noch 28-mal öfter abgelesen, als bei ihren Vorfahren. Die größere Menge des Enzyms erlaubt es ihnen Stärke fünfmal so gut zu verdauen, wie Wölfe.
Darüber hinaus verfügen Hunde über eine weitere Anpassung an eine pflanzliche Kost: Ihr MGAM Gen, das für eine Maltase kodiert, mit der Maltose in Zucker zerlegt werden kann unterscheidet sich in viererlei Hinsicht von dem ihrer Vorfahren. Dadurch bilden sie zwölfmal so viel Maltase wie Wölfe. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass Hunde eine längere Version des Enzyms bilden. So lange Maltasen besitzen sonst nur Pflanzenfresser, wie Rinder und Kaninchen oder Allesfresser, wie Mausmakis und Ratten. Demnach dürfte die Verlängerung das Enzym effektiver machen.
Die Mutation eines weiteren Gens namens SGLT1 erlaubt es Hunden Zucker aus dem Darm besser aufzunehmen.
Die meisten unserer Hunde haben sich also massiv darauf umgestellt auch Kohlenhydrate optimal zu verwerten. Das dürfte so manchem Hund besonders in Krisenzeiten das Leben gerettet haben.
Doch die Umstellung auf die Landwirtschaft veränderte nicht nur die Gene unserer Hunde, sondern spiegelt sich ebenfalls in unseren eigenen Genen wider. Denn auch wir Menschen vervielfältigten im Zuge der neolithischen Revolution unsere Amylasegene. Ihre Zahl ist bei den Menschen besonders groß, die besonders stärkereiche Nahrung zu sich nehmen, wie etwa Japaner oder Europäer. Die Mbuti dagegen, ein Pygmäenstamm, der im Kongo lebt, verzehren nur wenig Stärke und besitzen daher auch weniger Kopien der Amylasegene.
von Ute Keck, 10. November 2016
Originalpublikationen:
Morgane Ollivier, Anne Tresset, Fabiola Bastian, Laetitia Lagoutte, Erik Axelsson, Maja-Louise Arendt, Adrian Bălăşescu, Marjan Marshour, Mikhail V. Sablin, Laure Salanova, Jean-Denis Vigne, Christophe Hitte, Catherine Hänni. Amy2B copy number variation reveals starch diet adaptations in ancient European dogs. R. Soc. open sci. 2016 3 160449; DOI: 10.1098/rsos.160449. Published 9 November 2016
rik Axelsson, Abhirami Ratnakumar, Maja-Louise Arendt,Khurram Maqbool, Matthew T. Webster, Michele Perloski, Olof Liberg, Jon M. Arnemo, Åke Hedhammar & Kerstin Lindblad-Toh. The genomic signature of dog domestication reveals adaptation to a starch-rich diet. Nature 495, 360–364 (21 March 2013) doi:10.1038/nature11837