Extremwetter wird direkt durch die Erwärmung der Arktis verursacht

Arktisches Eis. © Paul Gierszewski. CC BY-SA 4.0. Wikimedia Commons.

Seit Jahren rätseln Forscher, ob die in Mitteleuropa und Nordamerika beobachteten Extremwetterlagen, wie etwa Kälteeinbrüche, direkt auf den Klimawandels zurück gehen. Oder ob es sich dabei lediglich um natürliche Klimaschwankungen handelt. Diese Wetterlagen gehen mit einem Schlingerkurs des Jetstreams einher, einer großen Luftströmung über der Nordhalbkugel. Atmosphärenforscher des Alfred-Wegener-Instituts haben nun ein Klimamodell entwickelt, das den Schlingerkurs des Jetstreams richtig abbilden kann. Dazu kombinierten die Forscher ihr globales Klimamodell mit einem neuen Machine-Learning-Algorithmus zur Ozonchemie. Mit diesem optimierten Modell konnten die Forscher zeigen, dass die Extremwetterlagen tatsächlich direkt durch den Klimawandel hervorgerufen werden.

Der Jetstream ist ein Band aus starken Westwinden, das über die mittleren Breiten hinweg strömt. Dabei schiebt es die großen Wettersysteme von West nach Ost. Am stärksten macht sich dieser Wind in 10 Kilometern Höhe bemerkbar, wo er die ganze Erde umrundet. Doch auch am Boden spüren wir noch diesen Wind, der in unseren Breiten meist aus westlichen Richtungen weht. Angetrieben wird dieses Windsystem durch die Temperaturunterschiede zwischen den Tropen und der Arktis. Durch seinen geradlinigen Kurs parallel zum Äquator kann der Jetstream im Winter die kalten Luftmassen der Arktis von unseren Breiten fernhalten. Seine Spitzengeschwindigkeiten liegen bei 500 Kilometern pro Stunde.

Doch durch die Klimaerwärmung schwächelt sich der Wind immer häufiger ab. Denn die Arktis erwärmt sich mehr als doppelt so schnell, wie andere Regionen der Erde, was mit einem starken Rückgang des Meereises einher geht. Dadurch sinken die Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den Tropen, so dass der Jetstream immer öfter von seinem geradlinigen Kurs abweicht und sich statt dessen in Riesenwellen über die Nordhalbkugel schlängelt. Das führt dazu, dass eine Wetterlage wesentlich länger an einem Ort verweilt, als dies früher der Fall war. Diese Wellen sorgen dann bei uns für Extremwetterlagen. So führte etwa der schwächelnde Jetstream Ende Januar 2019 im Mittleren Westen Nordamerikas zu einer massiven Kältewelle mit Temperaturen von bis zu -30 Grad und gewaltigen Schneestürmen. Denn ein wellenförmiger Verlauf des Jetstreams erlaubte es kalter Luft aus der Arktis in diese Breiten einzudringen. Im Sommer dagegen droht Extremwetter aus dem Süden. Hier kann der Schlingerkurs des Jetstreams für das Eindringen tropischer Luftmassen sorgen und durch eine Verlangsamung seiner Bewegung langanhaltende Hitzewellen und Trockenheit auslösen. Wie etwa in den Jahren 2003, 2006, 2015 und 2018 in Europa.

Ozonschicht als Puzzelstein der Klimaforschung

Doch war es Forschern bisher nicht gelungen den Schlingerkurs des Jetstreams im Klimamodell realistisch nachzuvollziehen und die Verbindung zwischen dem schwächelnden Wind und den globalen Klimaveränderungen herzustellen. Nun konnten Forscher am Alfred Wegener Institut diese Lücke füllen, indem sie ihrem Klimamodell ein weiteres Puzzelstück hinzufügten: Die chemischen Reaktionen von Ozon in der arktischen Stratosphäre.

Demnach führt der Rückgang des arktischen Meereseises zu einem geringeren Temperaturunterschied zwischen der nun wärmeren Arktis und den Tropen. Hierdurch bilden sich größere atmosphärischere Wellen, die dazu führen, dass nun ihrerseits wärmere Luft in Richtung Arktis gelangt und dort die Stratosphäre erwärmt. Dieser Effekt wird durch die chemischen Reaktionen des Ozons in dieser Luftschicht noch deutlich verstärkt. Da die niedrigen polaren Temperaturen der Motor für den Jetstream sind, kommt dieser durch den Temperaturanstieg ins Stottern. Der schwächelnde Jetstream setzt sich dann von der Stratosphäre bis in tiefer gelegene Luftschichten fort und sorgt so für Extremwetter.

Klimawandel ist Ursache für stotternden Jetstream

Laut den Forschern führt das Schmelzen des arktischen Meereises zumindest teilweise zu den beobachteten Veränderungen des Jetstreams. Demnach dürfte es bei einem weiteren Rückgang des Meereises auch zu immer mehr Extremwetterlagen in unseren Breiten kommen. Es ist also mit mehr winterlichen Kaltphasen in den USA, Europa und Asien zu rechnen. Womit bewiesen wäre, dass  die Klimaveränderung nicht nur für eine Zunahme an Hitzewellen und Trockenheit verantwortlich ist, sondern ebenfalls für extreme Kältephasen.

von Ute Keck, 4. Juni 2019

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Originalpublikation:

Erik Romanowsky, Dörthe Handorf, Ralf Jaiser, Ingo Wohltmann, Wolfgang Dorn, Jinro Ukita, Judah Cohen, Klaus Dethloff, and Markus Rex: The role of stratospheric ozone for Arctic-midlatitude linkages, Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-019-43823-1

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