Bericht zu Folgen der Ozeanversauerung veröffentlicht

Fische und Ozeanversauerung: Auch Fische können als sehr hoch entwickelte Meeresbewohner empfindlich auf die Ozeanversauerung reagieren. Der Polardorsch (boreogadus saida) beispielsweise könnte in Zukunft darunter leider, wenn das Wasser in seinem Lebensraum sowohl saurer als auch wärmer wird. ©  Hauke Flores, Alfred-Wegener-Institut

Fische und Ozeanversauerung
Auch Fische können als sehr hoch entwickelte Meeresbewohner empfindlich auf die Ozeanversauerung reagieren. Der Polardorsch (boreogadus saida) beispielsweise könnte in Zukunft darunter leider, wenn das Wasser in seinem Lebensraum sowohl saurer als auch wärmer wird. © Hauke Flores, Alfred-Wegener-Institut

Noch nie zuvor haben so viele Wissenschaftler ihre Forschung dem sinkenden pH-Wert des Meereswassers und dessen Wirkung auf die Tier- und Pflanzenwelt der Ozeane gewidmet. Ihre Ergebnisse haben die Forscher nun für den zweiten Ozeanversauerungsbericht der Biodiversitäts-Konvention (CBD – Convention on Biological Diversity) zusammengefasst. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt dabei auf den Folgen, die auch für uns Menschen relevant sind. Mit diesem Bericht möchte die CBD die Problematik saurer werdender Meere auf die Tagesordnung der internationalen Politik setzen.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Forscher besagt, dass saureres Wasser nicht nur die Kalkschalen und -skelette von Muscheln und Korallen angreift, sondern sich ebenso auf höher entwickelte Meeresbewohner wie Fische auswirken kann. Aber jede Art reagiert anders auf saureres Wasser und einige profitieren sogar davon – wie beispielsweise Seegräser, die das zusätzliche Kohlendioxid zur Photosynthese nutzen.

Auf Grundlage dieses neuen Wissens hat sich über die vergangenen Jahre der Schwerpunkt der Forschung immer wieder erweitert und somit auch das Verständnis dafür wie weitreichend die Folgen saurerer Meere sind: „Wir beginnen zu verstehen, wie einzelne Arten unter dem Einfluss von Ozeanversauerung interagieren; welche Folgen es hat, wenn eine Art aus dem Nahrungsnetz verschwindet und ob sich Tiere über mehrere Generationen anpassen können“, erzählt Felix Mark vom Alfred-Wegener-Insitut.

Robuste Ruderfußkrebse: Ruderfußkrebse (hier: calanus glacialis) sind erstaunlich widerstandsfähig gegenüber der Ozeanversauerung. Selbst wenn der pH-Wert weit unter jene Werte fällt, die Wissenschaftler für die kommenden 200 Jahre vorhersagen © Nicole Hildebrandt, Alfred-Wegener-Institut

Robuste Ruderfußkrebse:
Ruderfußkrebse (hier: calanus glacialis) sind erstaunlich widerstandsfähig gegenüber der Ozeanversauerung. Selbst wenn der pH-Wert weit unter jene Werte fällt, die Wissenschaftler für die kommenden 200 Jahre vorhersagen © Nicole Hildebrandt, Alfred-Wegener-Institut

Dabei war von zentraler Bedeutung, die Ozeanversauerung nicht als ein isoliertes Einzelphänomen zu betrachten, das die Lebensbedingungen der Weltmeere alleine verändert. Der sinkende pH-Wert tritt in Begleitung anderer Veränderungen auf, wie steigender Wassertemperaturen, dem sinkenden Sauerstoffgehalt sowie der Verschmutzung und Überdüngung der Meere. Forscher versuchen diese Phänomene in Labor- und Feldversuchen zu erforschen, indem sie zum Beispiel das Wasser in Aquarien erwärmen und gleichzeitig eine erhöhte Menge an Kohlendioxid einleiten.

Felix Mark und sein Team untersuchten etwa, wie sich die Ozeanversauerung und -erwärmung auf Fische in den Polargebieten auswirkt. „Wir haben beispielsweise herausgefunden, dass der Polardorsch, der eine Schlüsselart für das arktische Ökosystem ist, empfindlich darauf reagiert, wenn der Arktische Ozean immer saurer und gleichzeitig wärmer wird. Der Fisch wächst dann vermutlich nicht mehr so gut“, erklärt der Biologe.

Risikogruppe Korallen: Korallen gehören zu jenen Meereslebewesen, die sehr empfindlich auf die Ozeanversauerung reagieren - insbesondere, wenn die Wassertemperatur zeitgleich ansteigt. Dieses Foto haben AWI-Forscher im Frühjahr 2010 in der thailändischen Andamanensee aufgenommen. Es zeigt ein Korallenriff, das fast vollständig ausgeblichen und zum Großteil abgestorben ist. © Gertraud M. Schmidt, Alfred-Wegener-Institut

Risikogruppe Korallen:
Korallen gehören zu jenen Meereslebewesen, die sehr empfindlich auf die Ozeanversauerung reagieren – insbesondere, wenn die Wassertemperatur zeitgleich ansteigt. Dieses Foto haben AWI-Forscher im Frühjahr 2010 in der thailändischen Andamanensee aufgenommen. Es zeigt ein Korallenriff, das fast vollständig ausgeblichen und zum Großteil abgestorben ist. © Gertraud M. Schmidt, Alfred-Wegener-Institut

Völlig unbeeindruckt von den Veränderungen zeigt sich dagegen die wichtigste Futterart des Polardorsches, der so genannte Ruderfußkrebs, wie Barbara Niehoff von Alfred-Wegener-Insitut herausgefunden hat. „Selbst bei extrem hohen Kohlendioxid-Konzentrationen, die weit über dem heutigen Wert liegen, weisen die Tiere keine nennenswerten Reaktionen auf“, erzählt die Biologin.

Diese Fülle an neuen Ergebnissen haben Wissenschaftler aus zwölf Ländern jetzt für den neuen CBD-Bericht zur Ozeanversauerung zusammengefasst. Meeresbewohner, die gar nicht, nur in sehr geringem Maße oder sogar positiv auf die Ozeanversauerung reagieren, spielen darin allerdings nur eine Nebenrolle. Wie schon vor fünf Jahren widmet sich der Bericht vor allem den Arten, die sich nur schwer an das saurere Wasser anpassen können – vor allem den Korallen.

Korallenriffe gehören nicht nur zu den artenreichsten Ökosystemen, sondern sie versorgen auch über 400 Millionen Menschen mit Nahrung und schützen sie darüber hinaus auch noch vor Sturmfluten. Deshalb gehören sie zu den am intensivsten erforschten Lebensräumen in der Ozeanversauerungsforschung, Denn sie sind politisch und wirtschaftlich auch am interessantesten: Wissenschaftler schätzen, dass allein die Auswirkungen der Ozeanversauerung auf Korallen und Muscheln Folgekosten in Höhe von einer Billion US Dollar verursachen könnten.

Trotz des enormen Wissenssprungs im Vergleich zum vorhergehenden CBD-Bericht bleiben dennoch wichtige Fragen offen: Die Forscher können bisher etwa nicht vorhersagen, ob sich empfindliche Lebewesen wie die Korallen noch rechtzeitig an die neuen Umweltbedingungen anpassen können. Auch ist noch nicht abzusehen, wie das gesamte Ökosystem Ozean auf die Versauerung reagieren wird.

Empfindliche Kalkschalen: Vor allem Meeresbewohner, die eine Kalkschale bilden, reagieren empfindlich auf die Ozeanversauerung. Sinkt der pH-Wert weiter, könnten sich ihre Schalen nämlich auflösen. © Kathrin Busch, Alfred-Wegener-Institut

Empfindliche Kalkschalen:
Vor allem Meeresbewohner, die eine Kalkschale bilden, reagieren empfindlich auf die Ozeanversauerung. Sinkt der pH-Wert weiter, könnten sich ihre Schalen nämlich auflösen. © Kathrin Busch, Alfred-Wegener-Institut

„Momentan sind wir dabei, die einzelnen, verfügbaren Ergebnisse so aufzubereiten, dass sie in Ökosystem-Modelle eingesetzt werden können“, erzählt Felix Mark. Die Wissenschaftler wollen so genauer vorhersagen können, wie das Leben im Meer in Zukunft aussehen könnte, wie sich Nahrungsnetze verschieben und welche Arten unter Umständen für immer verschwinden könnten.

Die Konvention beabsichtigt mit dem aktuellen CBD-Bericht die Ozeanversauerung und ihre Folgen verstärkt auf die Agenda der internationalen Politik zu setzen. Doch auch hier hat sich in den vergangenen fünf Jahren einiges getan: So hat der Weltklimarat die Problematik versauernder Ozeane im fünften Weltklimabericht zum ersten Mal umfassend behandelt. Ein Schritt in die richtige Richtung, meint auch Biologe Felix Mark:„Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Ozeanversauerung in der Politik als Tatsache anerkannt wird, vor allem als Tatsache, die zum größten Teil von uns Menschen verursacht wird.“

Der CBD-Bericht zur Ozeanversauerung ist unter dem Original-Titel „CBD Technical Series 75: An Updated Synthesis of the Impacts of Ocean Acidification on Marine Biodiversity“ auf der Website der Convention on Biological Diversity verfügbar: http://www.cbd.int/ts/

Folgende Hintergrundinformationen zum Erscheinen des aktuellen CBD-Reports hat das Alfred-Wegener-Insitut zusammengestellt:

Alfred-Wegener-Insitut (AWI), 8. Oktober 2014

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