Feuerwanzen lassen sich von ihren Darmbakterien mit Vitaminen versorgen

 Die unter Lindenbäumen häufig anzutreffende Europäische Feuerwanze Pyrrhocoris apterus sichert ihre Vitamin-Versorgung durch symbiotische Bakterien in ihrem Darm. © MPI f. chemische Ökologie/ M. Kaltenpoth


Die unter Lindenbäumen häufig anzutreffende Europäische Feuerwanze Pyrrhocoris apterus sichert ihre Vitamin-Versorgung durch symbiotische Bakterien in ihrem Darm.
© MPI f. chemische Ökologie/ M. Kaltenpoth

Darmbakterien spielen bei der Nährstoffversorgung von Insekten eine große Rolle. Dabei unterstützen die Mikroorganismen ihre Wirte nicht nur beim Abbau unverdaulicher oder giftiger Nahrungsbestandteile. Sondern sie stellen den Insekten auch lebensnotwendige Nährstoffe zur Verfügung. Die Europäische Feuerwanze und die Afrikanische Baumwollwanze ernähren sich hauptsächlich von Pflanzensamen, in denen nicht genug B-Vitaminen vorhanden ist. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass die Insekten in ihrem Darm symbiotische Bakterien besitzen, die sie mit den fehlenden Vitaminen versorgen und so das Überleben der Wanzen garantieren. Die Vitamin-Versorgung durch die Symbionten wirkt sich sogar direkt auf die Genregulation der Insekten aus: fehlen den Wanzen die bakteriellen Helfer, so leiden sie unter typischem Vitamin-Mangel. Dabei verläuft die Symbiose zwischen Wanzen und Bakterien keinesfalls harmonisch: Wahrscheinlich gewinnen die Wanzen die Vitamine aus den Bakterien, indem sie diese mithilfe von speziellen Enzymen aufbrechen.

Viele Tiere benötigen für eine ausgewogene Ernährung Nahrungsergänzungsmittel. Feuerwanzen, wie die bei uns heimische Europäische Feuerwanze Pyrrhocoris apterus und der afrikanische Baumwoll-Schädling Dysdercus fasciatus können ihren Vitaminbedarf nicht alleine über die Nahrung decken. Ihre Vitaminlieferanten sind symbiotische Bakterien aus der Familie der Coriobacteriaceae, die sich in ihrem Darm befinden. Sie leben in der Darmschleimhaut des Mitteldarms der Insekten. Fehlen den Feuerwanzen diese Symbionten, so entwickeln sie sich langsamer, vermehren sich nicht so stark und sterben früher als ihre Artgenossen, die über mikrobielle Partner verfügen.

Durch ihre Experimente mit den Feuerwanzen fanden die Forscher vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena heraus, wie wichtig die Vitamin-B-Versorgung durch die bakteriellen Symbionten für die Wanzen ist. Setzten die Wissenschaftler dem Futter von Wanzen, die über keine Symbionten verfügten B-Vitamine bei, so entwickelten sich die Tiere ähnlich gut, wie ihre Artgenossen mit Symbiose-Bakterien. Erhielten die symbiontenfreien Feuerwanzen jedoch kein Vitamin B über ihrer Nahrung, so starben viele von ihnen bereits in einem frühen Entwicklungsstadium.

Auch die Afrikanische Baumwollwanze Dysdercus fasciatus benötigt für ihre Versorgung mit Vitaminen Bakterien im Darm. © MPI f. chemische Ökologie/ M. Kaltenpoth

Auch die Afrikanische Baumwollwanze Dysdercus fasciatus benötigt für ihre Versorgung mit Vitaminen Bakterien im Darm.
© MPI f. chemische Ökologie/ M. Kaltenpoth

Fehlen die Symbionten, so verändert sich sogar der Stoffwechsel der Wanzen. „Bei Vitaminmangel haben die Feuerwanzen ohne Symbionten einen völlig anderen Stoffwechsel. Allerdings kann der natürliche Stoffwechsel durch künstliche Zugabe von B-Vitaminen in der Nahrung oder durch Rückgabe der symbiotischen Bakterien wiederhergestellt werden“, erklärt Hassan Salem. Wie eine genetische Analyse der Insekten ergab, verstärken sie in Abwesenheit der Bakterien die Aktivität von Genen, die sie für den Transport von B-Vitaminen benötigen. Dadurch werden mehr Proteine gebildet, die für eine aktive Aufnahme der B-Vitamine über die Darmschleimhaut benötigt werden: So können die Tiere die wenigen vorhanden Vitamine aus dem Darminhalt effektiver aufnehmen. Wenn den Wanzen die Vitamine wieder über die Nahrung zugeführt bekommen oder die Symbiose mit den Bakterien wiederhergestellt wird, normalisiert sich die Aktivität dieser Gene wieder.

Nach einer genauen Analysen der Immunantwort auf die Anwesenheit der bakteriellen Partner gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Feuerwanzen ihre Symbiose-Partner regelrecht „ernten“. Dabei brechen sie enzymatisch die Zellwand der Bakterien auf und absorbieren anschließend die frei werdenden Vitamine. Denn bei Wanzen, die Symbioten in ihrem Darm tragen sind Gene aktiv, die für spezielle antimikrobielle Peptide codieren, wie etwa das Enzym Lysozym. “Nahrungsergänzung klingt wahrscheinlich viel zu freundlich. Wie die Wirte die Vitamine aus ihren Mikroben ernten, gleicht eher einer Ausbeutung. Trotzdem profitieren die Symbionten wahrscheinlich von der Beherbergung im Wanzendarm und der Weitergabe an die nächste Generation, denn nur ein Teil der Symbionten wird zur Vitamin-Ernte genutzt“, erläutert Hassan Salem.

In den letzten Jahren hat das medizinische Interesse am menschlichen Mikrobiom – also der Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Menschen und insbesondere seinen Darm besiedeln – stark zugenommen. Inzwischen geht man davon aus, dass das Mikrobiom einen erheblichen Einfluss auf den Stoffwechsel und das Immunsystem des Menschen hat. Die genaue Rolle einzelner Mikroorganismen, sowie deren Wirkung auf die gesamte Physiologie müssen jedoch noch erforscht werden. Untersuchungen an Insekten und ihre relativ einfachen und experimentell leicht beeinflussbaren Mikrobengemeinschaften können dabei wichtige Hinweise liefern.

Max-Planck-Gesellschaft, 2. Dezember 2014

 

Originalpublikation:

Salem H, Bauer E, Strauss A, Vogel H, Marz M, Kaltenpoth M. Vitamin supplementation by gut symbionts ensures metabolic homeostasis in an insect host. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. 281, 20141838. DOI: 10.1098/rspb.2014.1838

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