Abkühlung aus der Tiefe kann Korallenriffe vor Hitzestress bewahren

Korallenriff auf der Westseite einer Insel Korallenriff auf der Westseite einer Insel in der Andamanensee. Riffe in dieser Lage sind Internen Wellen und durch den Monsun ausgelösten Strömungen ausgesetzt. © Marlene Wall, GEOMAR

Korallenriff auf der Westseite einer Insel
Korallenriff auf der Westseite einer Insel in der Andamanensee. Riffe in dieser Lage sind Internen Wellen und durch den Monsun ausgelösten Strömungen ausgesetzt. © Marlene Wall, GEOMAR

Kühlende Strömungen aus der Tiefe könnten tropische Korallen vor tödlichem Hitzestress bewahren. Wissenschaftler fanden in der Andamanensee heraus, wie Interne Wellen Korallen schützen. Weil diese lokalen Phänomene nicht von Satelliten erfasst werden, weisen die Forscher auf die Bedeutung lokaler Messungen für ein Monitoring und die Festlegung von Schutzzonen hin.

Wie bereits in den Jahren 1991, 1995, 2003 und 2010 sorgen erhöhte Wassertemperaturen immer wieder für Korallenbleichen mit tödlichen Folgen für Steinkorallen in der Andamanensee. Diese Tiere haben sich über Jahrtausende an ein enges Temperaturfenster angepasst. Schon ein geringer Anstieg der Wassertemperaturen im Zuge der weltweiten Klimaerwärmung führt dazu, dass die Algen, die in einer Zellschicht der Korallen leben und diese mit Energie versorgen, als Symbionten versagen. In der Folge stoßen die Korallen diese Algen ab. Alleine können die Korallen jedoch nur schwer überleben. Der Anstieg der Meerestemperaturen und die dadurch verursachten Korallenbleichen gelten weltweit als eine der größten Bedrohungen des Ökosystems Korallenriff. Diese Erkenntnis führte zu einer intensiven Erforschung von natürlichen Rückzugsgebieten, in denen Korallen entweder weniger Belastungen ausgesetzt oder durch physiologische Anpassungen stressresistenter geworden sind.

Im Jahr 2010 wurde die Andamanensee von der bisher massivsten Korallenbleiche getroffen. „Die Folgen fielen aber lokal sehr unterschiedlich aus“, betont Marlene Wall, Biologin am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Bei der Untersuchung stellte das internationale Forscherteam fest, dass das Ausmaß der Zerstörung sehr von der Lage der Riffe abhing: Standorte, die nach Westen ausgerichtet waren, profitierten von Internen Wellen (large-amplitude internal waves, LAIW). Diese bewegen sich anders als Oberflächenwellen innerhalb des Meeres an Dichtesprungschichten, die das kalte Tiefenwasser vom warmen Oberflächenwasser trennen. Treffen diese Internen Wellen auf den Kontinentalschelf, brechen sie und transportieren kaltes Tiefenwasser bis in die seichten Korallenriffe. In Riffen dagegen, die durch Inseln abgedeckt liegen, war die Temperatur um 40 bis 80 Prozent höher – mit dramatischen Folgen.

Interne Wellen in der Andamanensee Interne Wellen in der Andamanensee, aufgenommen mit dem Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) auf dem Satelliten Aqua. © Jacques Descloitres, MODIS Rapid Response Team, NASA/GSFC

Interne Wellen in der Andamanensee
Interne Wellen in der Andamanensee, aufgenommen mit dem Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) auf dem Satelliten Aqua. © Jacques Descloitres, MODIS Rapid Response Team, NASA/GSFC

In der Andamanensee können Interne Wellen die Wassertemperatur um die Korallen herum vorübergehend um bis zu zehn Grad Celsius senken. „Diese Wechselbäder sind Fluch und Segen zugleich. Unter normalen Bedingungen stören die kalten Temperaturen die Korallen. Bei Hitzestress aber bieten sie unverhofft Kühlung und helfen den Korallen damit zu überleben“, sagt Projektleiter Claudio Richter vom Alfred-Wegener-Institut. Er untersucht das Phänomen der Internen Wellen und vergleicht deren Effekte in den Tropen mit denen in den Polarregionen.

In der tropischen Andamanensee sind Interne Wellen während des trockenen Nordost-Monsuns zwischen Januar und März am stärksten ausgeprägt. Im Juli und August bläst der Monsun hingegen aus der entgegengesetzten Richtung, also aus Südwesten. Dann bringt er Regen, wirbelt den Ozean kräftig durch und presst Wasser an die Küsten – die Korallenriffe der Inselwestflanken sind dann stärkerer Sedimentation ausgesetzt. „Die Riffe der Westseiten sind darum weniger stark entwickelt“, sagt Marlene Wall, „da Ozeanversauerung und Sauerstoffmangel das Korallenwachstum erschweren“. Dennoch sind die Korallengemeinschaften auf den Westseiten artenreicher, was beweist, dass die Korallen, die dort leben, physiologische Anpassungen an diese wiederkehrenden Störungen entwickelt haben. „In Regionen, in denen Interne Wellen auftreten, könnten sie zum Erhalt der Korallenriffe beitragen“ so die Hoffnung der Autoren in ihrer Studie.

Auf dem Weg ins Riff Eine Forschungstaucherin auf dem Weg zu einem Riffabschnitt in der Andamanensee, dessen Korallenbestand sie dokumentieren will. ©  Gertraut M. Schmidt, Alfred-Wegener-Institut

Auf dem Weg ins Riff
Eine Forschungstaucherin auf dem Weg zu einem Riffabschnitt in der Andamanensee, dessen Korallenbestand sie dokumentieren will. © Gertraut M. Schmidt, Alfred-Wegener-Institut

Im Rahmen ihrer Untersuchung zeigten die Biologen erstmals den Unterschied zwischen den Daten des Überwachungssatelliten der US-Amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde (National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA) und in-situ-Arbeiten auf: Nur Messungen vor Ort konnten das Potenzial der Internen Wellen belegen. „Genaue Kenntnis der lokalen Bedingungen ist darum wichtig, wenn Schutzgebiete für Korallen eingerichtet werden sollen“, so Marlene Wall.

Alfred-Wegener Insitut, 19 Dezember 2014

 

Originalpublikation:
Wall M., Putchim L., Schmidt G.M., Jantzen C., Khokiattiwong S., Richter C. (2015), Large-amplitude internal waves benefit corals during thermal stress. Proc. R. Soc. B 282, doi: 10.1098/rspb.2014.0650

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