Wie Bakterien die Bildung von Eiskristallen fördern

Eiskristalle: Max-Planck Forscher haben herausgefunden, dass bestimmte Bakterien den Ordnungszustand und die Dynamik von Wassermolekülen in Wassertröpfchen beeinflussen können. Dadurch bilden sich Eiskristalle schon bei Null Grad Celsius oder knapp darunter, und nicht erst bei minus 37 Grad Celsius wie in reinem Wasser. Ausschlaggebend dafür sind Proteinmoleküle an der Bakterienoberfläche. © David Castor.

Eiskristalle: Max-Planck Forscher haben herausgefunden, dass bestimmte Bakterien den Ordnungszustand und die Dynamik von Wassermolekülen in Wassertröpfchen beeinflussen können. Dadurch bilden sich Eiskristalle schon bei Null Grad Celsius oder knapp darunter, und nicht erst bei minus 37 Grad Celsius wie in reinem Wasser. Ausschlaggebend dafür sind Proteinmoleküle an der Bakterienoberfläche.
© David Castor. CC BY-SA 3.0

Der Gefrierpunkt von Wasser ist alles andere als eine eindeutige Sache. Kleine Tröpfchen aus reinstem Wasser etwa erstarren erst bei minus 37 Grad Celsius zu Eis. Damit sich bereits bei knapp unter Null Grad Celsius Eiskristalle bilden, sind Kristallisationskeime wie etwa Bakterien nötig, auf deren Oberfläche sich eisbildende Proteine befinden. Forscher haben nun den molekularen Mechanismus entschlüsselt, über den die Proteine Wassermoleküle erstarren lassen. Demnach erzeugen die Proteine geordnete Strukturen im Wasser und leiten Wärme ab. Die Erkenntnisse helfen nicht nur dabei, zu verstehen, wie Frostschäden an Pflanzen entstehen. Denn die Bakterien kommen auch in der Atmosphäre vor, wo sie ebenfalls die Bildung von Eiskristallen fördern. Dabei spielen sie auch eine Rolle bei der Entstehung von Wolken und Niederschlag – einem großen Unsicherheitsfaktor in Wetter- und Klimavorhersagen.

Bei Null Grad Celsius gefriert ein Wassertropfen in einer Wolke nicht. Bei der Temperatur, die landläufig als Gefrierpunkt bekannt ist, bildet Wasser nur Eis, wenn es mit größeren Oberflächen in Kontakt steht, in denen sich viele und große eisbildende Stellen befinden – etwa in einem Gefäß oder einem See. In Wassertropfen fördern Bakterien gezielt die Eisbildung, und zwar durch bestimmte Proteinmoleküle an ihrer Oberfläche, was bereits seit längerem bekannt ist. Weitgehend unverstanden waren bisher dagegen die molekularen Mechanismen, die dies bewirken.

Bestimmte Aminosäuresequenzen erhöhen die Ordnung von Wasser

Ein internationales Forscherteam um Tobias Weidner vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung und Janine Fröhlich-Nowoisky vom Max-Planck-Institut für Chemie hat nun aufgedeckt, was genau an der Bakterienoberfläche zwischen den Wasser- und den Proteinmolekülen geschieht. Sie konnten zeigen, wie sogenannte eisaktive Bakterien den Ordnungszustand und die Dynamik von Wassermolekülen beeinflussen. Demnach erzeugt die Wechselwirkung mit bestimmten Aminosäuresequenzen der Proteinmoleküle im Wasser Bereiche mit erhöhter Ordnung und stärkeren Wasserstoffbrückenbindungen. Darüber hinaus nehmen die Proteine Wärmeenergie aus dem Wasser auf und leiten sie in das Bakterium weiter. Auf diese Weise können sich die Wassermoleküle schneller zu einem Eiskristall zusammen lagern.

Eisaktive Bakterien sind für Wissenschaftler aus mehrfacher Sicht von großem Interesse. Zum einen können sie Frostschäden an der Oberfläche von Pflanzen verursachen. Zum anderen können die Bakterien vom Wind in die Luft gewirbelt werden. Dort wirken sie nicht nur als Kristallisations-, sondern auch als , sodass sie die Bildung von Schnee und Regen auslösen und so den Wasserkreislauf beeinflussen können. Die Verbreitung von eisaktiven Bakterien und anderen Bioaerosolpartikeln in der Atmosphäre und ihr Einfluss auf die Bildung von Wolken und Niederschlag ist ein besonders vieldiskutiertes Thema in der aktuellen Klima- und Erdsystemforschung. Erkenntnisse, worauf die eisbildende Wirkung der Bakterien beruht, könnten helfen, ihre Rolle im Klimasystem besser zu verstehen.

Pseudomonas syringae wird kommerziell eingesetzt

Um zu verstehen, wie bakterielle Proteine die Eiskristallbildung anregen, untersuchten die Forscher das eisaktive Bakterium Pseudomonas syringae. Es kann bereits bei minus zwei Grad Celsius die Eisbildung in Wassertropfen auslösen. Dagegen setzt der Gefrierprozess bei Wassertropfen, die nur Mineralstaub oder Ruß als Kondensationskeime enthalten, erst bei etwa minus 15 Grad Celsius ein. Daher wird Pseudomonas syringae in abgetöteter Form bereits als „Snomax“ zur  kommerziellen Produktion von Kunstschnee eingesetzt.

Für ihre Analysen nutzten die Forscher die sogenannte Summenfrequenzspektroskopie. Diese erlaubt es, mit Hilfe von Laserstrahlen die Wassermoleküle an der Bakterien- beziehungsweise Proteinoberfläche zu untersuchen.

Eisbildungsmechanismen für die Praxis nutzbar machen

Dank der neuen Erkenntnisse könnte man nun die Eisbildungsmechanismen der Bakterien künstlich imitieren, sie also im Labor nachbauen und so für eine Reihe weiterer Anwendungen nutzen. „In Zukunft wäre es nun denkbar, künstliche, nanostrukturierte Oberflächen und Partikel herzustellen, mit deren Hilfe die Bildung von Eis gezielt beeinflusst und kontrolliert werden könnte“, sagt Tobias Weidner.

Als nächstes wollen die Forscher die bakteriellen Eisproteine isolieren und untersuchen. Darüber hinaus möchten sie die Analysen auf pilzliche Eiskeime erweitern. Janine Fröhlich-Nowoiskys Arbeitsgruppe ist auf die Charakterisierung biologischer Eiskeime spezialisiert. Sie verfügt über eine umfassende Kultursammlung eisaktiver Bakterien und Pilze.

Max-Planck-Gesellschaft, 22. April 2016

Originalpublikation:

Ravindra Pandey, Kota Usui, Ruth A. Livingstone, Sean A. Fischer, Jim Pfaendtner, Ellen H. G. Backus, Yuki Nagata, Janine Fröhlich-Nowoisky, Lars Schmüser, Sergio Mauri, Jan F. Scheel, Daniel A. Knopf, Ulrich Pöschl, Mischa Bonn, Tobias Weidner. Ice-nucleating bacteria control the order and dynamics of interfacial water. Science Advances, 22. April 2016; Doi: 10.1126/sciadv.1501630

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