Ein höchst unregelmässiges Puzzle

Ein komplexes Wechselspiel zwischen dem Erdmantel und der Lithosphäre sorgt dafür, dass die Oberfläche der Erde aus verschieden großen Platten aufgebaut ist. Das numerische Modell einer Forschergruppe mit ETH-Beteiligung zeigt: Hätte die Lithosphäre eine andere Festigkeit, würde die Erde ganz anders aussehen.

Ein neues Modell zeigt, wie Konvektionsströme im Erdmantel das Gesicht der Erde prägen. © Paul Tackley / ETH Zürich

Ein neues Modell zeigt, wie Konvektionsströme im Erdmantel das Gesicht der Erde prägen. © Paul Tackley / ETH Zürich

Die Lithosphäre, die äußerste Schicht der Erde, gleicht einem anspruchsvollen Puzzle. Insgesamt 52 größere und kleinere Platten formen die Hülle der Erde und prägen dadurch deren Aussehen  Bemerkenswert an diesem Puzzle ist, dass die einzelnen Teile sehr unterschiedlich groß sind. Die sieben größten Platten bedecken zusammen ganze 94 Prozent der Erdoberfläche, die restlichen 45 kleineren Platten hingegen nur gerade sechs Prozent. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich zudem, dass die Größenverteilung der kleineren Platten anderen Regeln folgt als diejenige der grossen Platten: Während die kleineren Platten sehr unterschiedliche Größen haben, sind die großen Platten von ähnlicher Größe.

Erstmals konsistentes Modell

In den letzten Jahren schlugen Erdwissenschaftler verschiedene Erklärungen vor, wie es zu dieser merkwürdigen Verteilung kommt. Ein Forscherteam der ETH Zürich und der Université de Lyon präsentiert nun einen neuen Ansatz. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift «Nature» können die Forscher mit einem numerischen Modell die Größenverteilung der Erdplatten elegant erklären. «Diese Modell zeigt zum ersten Mal auf eigenkonsistente Weise auf, warum es nur sieben große und so viele kleine Platten gibt», erklärt Paul Tackley, Professor für geophysische Fluiddynamik am Institut für Geophysik der ETH Zürich.

Das neue Modell berücksichtigt sowohl die Konvektionsströme im Erdmantel, welche die Bewegungen der Erdplatten antreiben, als auch das Verhalten der Platten entlang ihrer Grenzen. Besonders wichtig sind die sogenannten Subduktionszonen. Bei diesen Zonen kollidieren jeweils zwei Platten miteinander, wobei die eine Platte unter die andere geschoben wird und tief in den Erdmantel abtaucht.

Dort, wo die Subduktionszonen gerundet sind, sind die Platten einer größeren mechanischen Belastung ausgesetzt. Übersteigt diese ein bestimmtes Maß, bricht die Platte an der Stelle auseinander – es entsteht eine neue, kleinere Platte. «Dies erklärt, warum kleinere Platten häufig entlang der Subduktionszonen zu finden sind und nicht entlang von mittelozeanischen Rücken, wo die Platten auseinander driften», sagt Tackley.

Zwei Faktoren

Die Größenverteilung der Platten erklärt sich also aus einem komplexen Zusammenspiel von zwei Faktoren: den Bewegungen im Erdmantel und dem mechanischen Verhalten der Lithosphäre. Berechneten die Forschenden die Größenverteilung der Platten mit einem mittleren Wert, der ungefähr der realen Festigkeit der Lithosphäre entspricht, resultiert eine statistische Verteilung, die sehr gut mit den beobachteten Werten übereinstimmt. Nahmen die Geophysiker hingegen eine geringere Festigkeit an, verändert sich die Größenverteilung markant: Es gibt weniger große Platten, dafür aber viel mehr kleinere. Gerade ein umgekehrtes Bild ergibt sich bei einer erhöhten Festigkeit: Die großen Platten werden noch größer und es gibt weniger kleinere Platten. Das heißt also: Würde die Lithosphäre der Erde eine andere Festigkeit aufweisen als sie tatsächlich hat, würde die Oberfläche der Erde völlig anders aussehen.

Je nachdem, wie fest die Lithosphäre ist, ergibt sich ein anderes Bild der Erdoberfläche: Bei einer durchschnittlichen Festigkeit von 150 bis 200 MPa (Mitte) verteilen sich die Erdplatten ähnlich wie in der Realität. Ist die Lithosphäre hingegen weniger fest (links), entstehen viel mehr kleinere Platten. Bei einer hohen Festigkeit wiederum (rechts) werden die grossen Platten noch grösser und die Zahl der kleineren sinkt. © C. Mallard, Université de Lyon

Je nachdem, wie fest die Lithosphäre ist, ergibt sich ein anderes Bild der Erdoberfläche: Bei einer durchschnittlichen Festigkeit von 150 bis 200 MPa (Mitte) verteilen sich die Erdplatten ähnlich wie in der Realität. Ist die Lithosphäre hingegen weniger fest (links), entstehen viel mehr kleinere Platten. Bei einer hohen Festigkeit wiederum (rechts) werden die grossen Platten noch grösser und die Zahl der kleineren sinkt. © C. Mallard, Université de Lyon

von Felix Würsten, ETH Zürich, 11 Juli 2016

Originalpublikation:

Mallard C, Coltice N, Seton M, Müller RD, Tackley PJ. Subduction controls the distribution and fragmentation of Earth’s tectonic plates. Nature Advance Online Publication (AOP) 15 June 2016. DOI: 10.1038/nature17992

Kommentare sind geschlossen.