Artenvielfalt blühender Wiesen dient dem Wohl des Menschen

Je mehr es krabbelt, kreucht und fleucht, desto besser für den Menschen. Ein artenreiches und von vielen Individuen aus allen Ebenen der Nahrungskette bevölkertes Ökosystem erbringt die umfangreichsten Ökosystemdienstleistungen, so das Ergebnis einer neuen Studie, an der über 300 Forscher mitgearbeitet haben. Besonders wichtig ist dabei auch die Vielfalt unscheinbarer Bodenorganismen und bislang eher unbeliebter Insekten. Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig der Erhalt artenreicher Ökosysteme für das Wohl des Menschen ist.

© Dr. Gottfried Briemle. CC BY-SA 2.0 DE. Wikimedia Commons.

Magerwiesen erfreuen sich einer besonderen Artenvielfalt. © Dr. Gottfried Briemle. CC BY-SA 2.0 DE. Wikimedia Commons.

Über ihren hohen ästhetischen Wert hinaus erbringt eine blühende Wiese auch vielfältige kostenlose Dienstleistungen für den Menschen. Dazu zählen neben der Lebensmittelproduktion etwa auch das Recycling von Nährstoffen aus Pflanzenresten im Boden, die Regulierung der Schädlingsbekämpfung und des Klimas, sowie die Bereitstellung eines Erholungsraums. Diese vielfältigen Funktionen kann das komplexe Ökosystem Wiese nur erbringen, indem diverse Organismen aus unterschiedlichen Ebenen der Nahrungskette und mit verschiedener Ernährungsweise (trophische Gruppen) zusammen arbeiten. Welchen Einfluss die Artenvielfalt auf diese Ökosystemdienstleistungen hat, wurde bislang lediglich anhand einzelner, leicht zu untersuchender Gruppen, wie etwa der Pflanzen studiert.

Nun hat ein 300-köpfiges internationales Forscherteam um Santiago Soliveres von der Universität Bern alle Gruppen die zur selben Nahrungskette gehören in einer natürlichen Graslandschaft untersucht. Die Forscher sammelten dazu Daten über 4600 Tier- und Pflanzenarten aus neun Gruppen der Nahrungskette. Berücksichtigt wurden erstmals auch bislang vernachlässigte Arten wie Mikroorganismen, die die organische Substanz im Boden zersetzen und dabei Nährstoffe, aber auch CO2 freisetzen, sowie Abfallfresser, wie Regenwürmer. Erhoben wurden die Daten auf 150 Grünlandflächen in drei Regionen Deutschlands, den ‚Biodiversitätsexploratorien‘. Bei diesem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Programm handelt es sich um die umfassendste ökologische Freilandversuchsfläche Europas.

Artenvielfalt innerhalb aller Glieder der Nahrungskette notwendig

„Wie bei einem Puzzle haben wir uns ein zusammenhängendes Bild davon gemacht, wie bedeutsam einzelne trophische Gruppen für vierzehn von uns gemessene Ökosystemdienstleistungen sind. Jede Ökosystemdienstleistung ist demnach von mindestens drei Gruppen abhängig. Je vielfältiger die Arten innerhalb der Gruppe sind, desto zuverlässiger wird die Ökosystemdienstleistung erbracht. Außerdem beeinflusst jede einzelne Gruppe zumindest eine Ökosystemdienstleistung.“, fasst Soliveres die Ergebnisse zusammen.

Peter Manning vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum ergänzt: „Wir müssen also Artenreichtum in mindestens drei der untersuchten Gruppen der Nahrungskette sicherstellen.“ Es sind aber nicht immer die gleichen drei Gruppen, die für das Funktionieren einer individuellen Ökosystemdienstleitung maßgeblich sind. „Während beispielsweise die Höhe der Wurzelbiomasse durch den Artenreichtum von Pflanzen und Insekten beeinflusst wird, sind für die Mengen des im Boden gespeicherten Kohlenstoffs die Bodenorganismen besonders relevant.“ erläutert Ingo Schöning vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Deshalb muss der Artenreichtum in allen Gruppen der Nahrungskette erhalten bleiben, damit die Natur zuverlässig weiter für uns im Verborgenen arbeitet.

Die Studie zeigt zudem, dass der Einfluss von Organismen und ihrer Diversität für Ökosystemdienstleistungen genauso wichtig ist, wie der Einfluss abiotischer Umweltfaktoren. „Gerade bei Bodenuntersuchungen wird oft übersehen, wie wichtig die Rolle unterschiedlicher Organismengruppen für Umsetzungsprozesse von Kohlenstoff und Nährstoffen ist.“, bestätigt Marion Schrumpf vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena.

Häufig wird der Boden gedüngt, um die Bodenfruchtbarkeit und damit das Pflanzenwachstum zu erhöhen. Kurzfristig hilft Dünger zwar, wenn dabei aber die Artenvielfalt verringert wird, überwiegen die Nachteile. Eine hohe Artenvielfalt entlang der gesamten Nahrungskette zu erhalten, ist daher langfristig gesehen preiswerter und sinnvoller, als sie zu zerstören.

Bedeutung der Artenvielfalt für Ökosystemdienstleistungen bisher unterschätzt

„Wenn biologische Vielfalt rapide zerstört wird, welche Konsequenzen hat das für die Menschen? Welche Handlungsoptionen gibt es? Das ist bisher nicht umfassend genug erforscht und einer der Gründe, warum der internationale Biodiversitätsrat IPBES gegründet wurde.“, erläutert Markus Fischer vom Institut für Pflanzenwissenschaft der Universität Bern und Leiter des Forschungsprojekts. Den neunen Erkenntnissen zufolge wurde die Bedeutung der Artenvielfalt in allen Gruppen einer Nahrungskette bisher unterschätzt. Das liegt daran, dass frühere Arbeiten nur einzelne trophische Gruppen im Blick hatten. „Unser umfassendes Forschungsprogramm demonstriert, wie wichtig es ist, den Gesamtzusammenhang zu untersuchen und dass Handlungsbedarf zum Schutz der Ökosysteme besteht.“, resümiert Fischer.

Max-Planck-Institut für Biogeochemie, 17. August 2016

Originalpublikation:

Soliveres et al.: Biodiversity at multiple trophic levels is needed for ecosystem multifunctionality. Nature, 17. August 2016, DOI 10.1038/nature19092.

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