Intensive Landwirtschaft lässt überall nur die gleichen Generalisten überleben

Der Kriechende Hauhechel oder Ononis repens ist eine Wirtspflanze der Weichwanze, die seinen Pflanzensaft aussaugt oder gelegentlich auch Insekten, die an den Drüsenhaaren des Hauhechels kleben. © Ekkehard Wachmann

Der Kriechende Hauhechel oder Ononis repens ist eine Wirtspflanze der Weichwanze, die seinen Pflanzensaft aussaugt oder gelegentlich auch Insekten, die an den Drüsenhaaren des Hauhechels kleben. © Ekkehard Wachmann

Auf intensiv genutzten Wiesen, leidet nicht nur die Artenvielfalt, sondern die Landschaft wird auch eintöniger und schließlich bleiben überall die gleichen Generalisten übrig. Mit weitreichenden Konsequenzen: Denn aufgrund dieser tiefgreifenden Veränderungen ist die Natur nicht mehr voll funktionsfähig. Davon ist die gesamte Nahrungskette betroffen. Von der Bodenbildung über die Nahrungsproduktion bis zur Schädlingsbekämpfung. Zu diesem Schluss kommen Forscher, die untersucht haben, welche Konsequenzen eine intensive Landnutzung auf die Artenvielfalt verschiedener Landschaften hat.

Normalerweise bildet jede Wiese einen kleinen Lebensraum für sich, in dem unterschiedliche Arten beheimatet sind. Doch dort, wo der Mensch intensive Landnutzung betreibt geht die Artenvielfalt zurück: Das ist einer der Hauptgründe für das massive Artensterben. Bisher haben Forscher meist nur einzelne Artengruppen, wie etwa Vögel in einem bestimmten Lebensraum untersucht. Deshalb wollte ein internationales Forscherteam herausfinden, wie sich der lokale Artenverlust auf Landschaftsebene auswirkt und welche Folgen dies für die Vielfalt des Lebens hat. Und zwar für die gesamte Nahrungskette von Einzellern bis zu Wirbeltieren.

Wie die Forscher heraus fanden, führt die intensive Nutzung dazu, dass alle Wiesen gleich werden. Sie bieten ein trauriges Bild: Denn hier können nur noch einige wenige Arten leben. Die ursprüngliche Fülle der Artenvielfalt ist hier verloren gegangen. Ein Phänomen, das für viele verschiedene Regionen Deutschlands gilt.

Über 4000 verschiedene Arten erfasst

Für ihre Studie analysierten die Forscher mehr als 4000 verschiedene Arten im UNESCO Biosphären-Reservat Schwäbische Alb, dem Nationalpark Hainich und dessen Umgebung sowie dem Biospärenreservat Schorfheide-Chorin. Alle drei Regionen verfügen über ein anderes Klima, eine ganz eigene Geologie und Topografie. Doch allen gemeinsam ist die für Europa typische intensive Landnutzung. Mithilfe eines neuen statistischen Verfahrens konnten die Forscher ermitteln, wie sich das Mähen der Wiesen, die Düngung und die Beweidung auf die Artenvielfalt auswirkt.

Nahrungskette von Einzellern im Boden bis zu den Vögeln analysiert

Die Forscher erfassten Arten der gesamten Nahrungskette auf unterschiedlich genutzten Wiesen in verschiedenen Regionen: Von Organismen im Boden wie Bakterien, Pilzen und Tausendfüßlern, über Pflanzen, Bestäuber und Pflanzenfresser bis hin zu Raubtieren. Dabei unterteilten sie die Arten in zwölf Gruppen entsprechend ihrer Position in der Nahrungskette, sowie ob sie ober- oder unterirdisch leben.

Artenvielfalt nimmt bereits bei moderater Landnutzung ab

Dabei kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass es mehr oder weniger egal ist, ob Wiesen nur moderat oder intensiv vom Menschen genutzt werden. Das heißt, ob zwei- oder mehrmals pro Jahr gemäht wird. „Die Artenangleichung schreitet nicht parallel zur Nutzungsintensivierung voran, so unsere Beobachtung, sondern schon bei einer moderaten Bewirtschaftung von Grünland reduzieren sich die Artengemeinschaften überregional auf die gleichen, wenig anspruchsvollen Generalisten“, sagt Martin Gossner, Erstautor der Studie und inzwischen an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL „eine weitere Nutzungsintensivierung hat dann eigentlich keinen weiteren Effekt.“

Das gilt etwa auch für den anspruchsvollen Kriechenden Hauhechel (Ononis repens, siehe Foto). Er dient der Weichwanze (Macrotylus paykulli) als Wirtspflanze, die sich von seinem Pflanzensaft nährt und gelegentlich auch Insekten anzapft, die an den Drüsenhaaren der Pflanze kleben bleiben. Wenn der Hauhechel zugunsten einfacher Grasarten mit hohem Futterwert immer seltener wird, verliert auch die Wanze ihre Lebensgrundlage und schließlich sterben beide aus. Deshalb nimmt bereits eine geringe Intensivierung der Wiesen- und Weidennutzung vielen Arten der Fauna und Flora den Lebensraum. In der Folge bleiben nur noch solche Arten übrig, die nicht auf bestimmte Futterpflanzen und Umweltbedingungen spezialisiert sind. Diesen Effekt nennt man ‚Biotische Homogenisierung’.

„Neu ist nun die Erkenntnis, dass die Artengleichschaltung über Landschaften hinweg eintritt und somit den Artenreichtum auf regionaler und nationaler Ebene reduziert“, sagt Gossner – „was die vermutlich bedeutendere Konsequenz der Nutzungsintensivierung ist, als der lokale Artenverlust für sich alleine betrachtet.“

Geschrumpfte Nahrungsketten lassen Ökosysteme verkümmern

Zum Schutz der Artenvielfalt ist es daher unerlässlich einen gewissen Anteil der Wiesen möglichst wenig oder gar nicht zu bewirtschaften. Denn nur dort können die vielfältigen Nahrungsketten mit ihren zahlreichen Interaktionen zwischen einzelnen Arten gedeihen: „Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und ihren Konsumenten werden durch eine intensivere landwirtschaftliche Nutzung schwächer“, sagt Gossner – „was am Ende die Abläufe im Ökosystem verschiebt und verändert.“

Nur wenn die Artenvielfalt auf größeren Flächen erhalten bleibt, können sie auch die Ökosystemdienstleistungen noch liefern. Sie kommen nicht zuletzt auch uns Menschen zugute. Denn die „Dienstleistungen der Natur“ helfen auch dabei, die Lebensmittelproduktion zu steigern, etwa indem die Bodenbildung verbessert wird oder Schädlinge in Schach gehalten werden.

Technische Universität München, 30 November 2016

Originalpublikation:

Martin M. Gossner et al: Land-use intensification causes multitrophic homogenization of grassland communities, Nature 2016. DOI: doi:10.1038/nature20575

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