Wie der Golfstrom entstand

Ohne den Golfstrom wäre Europa nicht das, was es heute ist: Eine Region, die sich im Verhältnis zu ihren Breitengraden eines ungewöhnlich milden Klimas erfreut. Dank der warmen Meeresströmung gedeihen in Irland Palmen, während in Kanada auf dem gleichen Breitengrad ein subarktisches Klima herrscht. Und nur durch den Golfstrom bleiben die Häfen in Nordnorwegen eisfrei. Doch dieser milde Ozeanstrom konnte sich erst durch eine Veränderung verschiedener Meeresstraßen ausbilden, wie das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel berichtet.

Vereinfachte Darstellung der heutigen globalen ozeanischen Umwälzzirkulation. Oberflächenströmungen in rot, tiefe Wassermassen in blau. Die mittelamerikanische Landbrücke, der Indonesische Seeweg und die Straße von Gibraltar (gelbe Rechtecke) besitzen einen Schlüsselfunktion für die Veränderlichkeit dieses Zirkulationsmusters. Die bearbeiteten Tiefbohrungen sind durch gelbe Punkte markiert. Karte: NOAA.

Ozeanströmungen können das Klima angrenzender Landregionen massiv verändern. So befördert etwa der Golfstrom so viel warmes Wasser aus dem tropischen Atlantik in Richtung Nordosten, dass die Winter in Europa trotz ihrer Breitengrade vergleichsweise mild und feucht sind. Gleichzeitig sorgt dieser Abtransport von Wärme für eine Abkühlung des Südatlantik. Forscher sprechen in diesem Fall auch von Wärmepiraterie. Der Golfstrom selbst ist ein Teil der globalen Ozeanströmung. Doch die Meeresströmung verlief nicht immer so, wie wir ihn kennen. Ihr heutiger Verlauf hat sich erst vor sechs bis zweieinhalb Millionen Jahren im Pliozän herausgebildet. Damit ist sie geologisch gesehen noch relativ jung.

Foraminiferen sind einzellige Lebewesen, die meist ein Gehäuse tragen.. © Psammophile. CC BY-SA 3.0.

Entstanden ist sie im wesentlichen durch Bewegungen der Erdplatten, bei denen sich gleich mehrere Meeresstraßen geöffnet und geschlossen haben. Was dabei genau passierte ermittelten die Forscher mithilfe von Tiefseebohrungen im Nord- und Südatlantik. Anhand der in den Bohrkernen gefundenen fossilen, einzelligen Mikroorganismen, sogenannten Foraminiferen konnten die Forscher rekonstruieren, welche Lebensbedingungen in den jeweiligen Zeiträumen herrschten.

Mit dem Pliozän machte unsere Erde plattentektonisch bewegte Zeiten durch. Dabei bildete sich zunächst die Straße von Gibraltar im Mittelmeer, später entwickelte sich zwischen Nord- und Südamerika nach und nach eine Landbrücke und schließlich kam es zu einer Verengung des Indonesischen Seeweges. Diese drei Ereignisse hatten gravierende Auswirkungen auf die globale Ozeanzirkulation. Erst unter diesen geologischen Bedingungen floss der Golfstrom vom Südatlantik bis nach Nordeuropa.

Wobei die Änderung des Mittelmeer-Durchflusses vor etwa 5,3 Millionen Jahren die atlantische Strömung zunächst abschwächte. In der Folge erwärmte sich der Südatlantik im Vergleich zum Nordatlantik. Doch vor 4,8 bis 3,8 Millionen Jahren verengte sich zunehmend die Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik in Zentralamerika, bis diese schließlich durch die neu entstandene mittelamerikanische Landbrücke ganz geschlossen war. Durch diese Barriere verstärkte sich der Golfstrom: Er bewirkte, dass sich der Nordatlantik auf Kosten des Südatlantiks um rund zwei Grad Celsius erwärmte. Damit war die bis heute anhaltende aktive Wärmepiraterie des Nordatlantiks etabliert.

Die tektonische Verengung des Indonesischen Seeweges vor 3,8 bis drei Millionen Jahren sorgte dann wieder für eine Abschwächung der globalen Meeresströmung. Mit ihr begann die Nordhemisphäre wieder vermehrt zu vereisen.

von Ute Keck, 24. Januar 2017

Originalpublikation:

Karas, C. , D. Nürnberg, A. Bahr, J. Groeneveld, J. O. Herrle, R. Tiedemann and P. B. deMenocal, 2017: Pliocene oceanic seaways and global climate. Scientific Reports, 7:39842, doi: 10.1038/srep39842

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