Wie eine Pflanze Mikroben-Management betreibt

Mikroskopischer Ausschnitt einer Arabidopsis thaliana-Wurzel (violett), die mit Pilzgeflecht von Colletotrichum tofieldiae (grün) umgeben ist. Das Geflecht befindet sich auch innerhalb der Wurzeln (nicht gezeigt). © MPI f. Pflanzenzüchtungsforschung

Mikroskopischer Ausschnitt einer Arabidopsis thaliana-Wurzel (violett), die mit Pilzgeflecht von Colletotrichum tofieldiae (grün) umgeben ist. Das Geflecht befindet sich auch innerhalb der Wurzeln (nicht gezeigt).
© MPI f. Pflanzenzüchtungsforschung

Bei Pflanzen könnte das Immunsystem über die Unterscheidung zwischen fremd und selbst bei der Abwehr von Krankheitserregern hinaus die Aufgabe eines Mikroben-Managementsystems erfüllen. Denn bei der Modellpflanze Arabidopsis sorgt das Immunsystem auch für eine bedarfsorientierte Tolerierung nützlicher Mikroorganismen. Wie Forscher entdeckt haben duldet die Pflanze den Pilz Colletotrichum tofieldiae, wenn sie seine Hilfe bei der Beschaffung von löslichem Phosphat aus dem Boden benötigt, weist ihn jedoch zurück, wenn sie diese Aufgabe alleine lösen kann.

Pflanzen wachsen und gedeihen nur, wenn sie an lösliches Phosphat im Boden herankommen. Gebundenes Phosphat können sie nicht ohne fremde Hilfe aufnehmen. Die meisten Pflanzen halten sich deshalb eine Mykorrhiza, – ein Pilzgeflecht an der Wurzel, das sie mit wichtigen Nährstoffen versorgt und im Gegenzug für seine Dienste Produkte aus der Fotosynthese erhält.

Arabidopsis gehört zu den wenigen Pflanzen, die über keine Mykorrhiza verfügen. Stattdessen lebt sie in Symbiose mit dem Bodenpilz Colletotrichum tofieldiae. Dieser Pilz besiedelt Arabidopsis über die Wurzel, wo er sich in und zwischen den Wurzelzellen etabliert. Er kann im Boden vorhandenes, unlösliches Phosphat in lösliches Phosphat umwandeln und gibt es über das Pilzgeflecht in der Wurzel an seinen Wirt weiter. So gelingt es Arabidopsis an das lebenswichtige Phosphat zu gelangen. Diese Symbiose überraschte die Forscher um Schulze-Lefert am Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. Denn die Pilzfamilie, zu der Colletotrichum tofieldiae gehört, tritt fast überall als Krankheitserreger auf. Ein Verwandter dieses Pilzes verursacht alleine beim Mais jedes Jahr Ernteeinbußen in Milliardenhöhe. Daher wollten die Forscher wissen, wie es Arabidopsis gelingt sich Colletotrichum tofieldiae zu Diensten zu machen.

Abwehrreaktion passt sich an Phosphat-Versorgung an

Die Forscher hatten den Pilz aus einer Arabidopsis-Pflanze im spanischen Hochland isoliert. Da sie den Pilz nur bei Pflanzen an diesem Standort fanden, vermuteten sie, dass die Symbiose mit den Bedingungen an diesem Standort zu tun haben könnte. Denn im spanischen Hochland gibt es kaum lösliches Phosphat im Boden. Den Forschern zufolge ist das angeborene Immunsystem an der Symbiose beteiligt und akzeptiert den Pilz nur dann als Untermieter in der Wurzel, wenn Arabidopsis nicht alleine an Phosphat herankommt. Bei guter Phosphatversorgung leitetet sie dagegen eine massive Immunantwort gegen den Pilz ein. „Das ist ein fantastisch reguliertes System“, sagt Schulze-Lefert. „Fremd ist also nicht immer fremd, sondern nur unter bestimmten Umständen. Das ist eine ganz neue Sicht auf das Immunsystem.“

Verantwortlich für diese an die Umwelt angepasste Reaktion ist die sogenannte „Phosphat Starvation Response“. Mit diesem Regelwerk misst die Pflanze die Verfügbarkeit von Phosphat im Boden und gibt diese Information an einen Schaltkreis weiter, der das Pflanzenwachstum beschleunigt oder bremst. Wenn das lösliche Phosphat bei Arabidopsis knapp wird, stellt es dem Bodenpilz eine Eintrittskarte in die Pflanzenwurzel aus.

Doch für das Gelingen der Symbiose ist noch ein zweiter Prozess beteiligt:  Der Syntheseweg zur Bildung von Senfölglykosiden. Bei den Kreuzblütlern, zu denen Arabidopsis, Raps, Senf und Meerrechtich gehören, sind diese Zuckerverbindungen für den scharfen und bitteren Geschmack verantwortlich und Teil des angeborenen Immunsystems. Fällt dieser Syntheseweg aus, so wird Colletotrichum tofieldiae für Arabidopsis zum lebensbedrohlichen Schädling. Die gebildeten Glykoside sind also Teil der gedämpften Immunabwehr, die dem Pilz seine Grenzen als Untermieter aufzeigt.

„Arabidopsis-Pflanzen entscheiden über ihr anstehendes Verhältnis zu ihrem Untermieter, indem sie ihr Immunsystem mit dem Messfühler für die Phosphatversorgung verbinden“, sagt Schulze-Lefert. „Das ist eine elegante Lösung, mit der die Aufgabenbereiche des Immunsystems um den Bereich der externen Nährstoffversorgung unter Mangelbedingungen erweitert werden. Das ist bisher so noch nicht im Pflanzenreich beobachtet worden.“

Was dem einen nützt, kann dem anderen schaden

Das Hirtentäschel kann als einzige Art unter den Kreuzblütlern keine Senfölglykoside bilden. Da es deshalb den Pilz als Untermieter nicht in Schach halten kann kann es mit diesem auch nicht in Symbiose leben. Für das Hirtentäschel wird er deshalb zu einem tödlichem Krankheitserreger. Denn ihm fehlt der entsprechende Syntheseweg, ohne den es offenbar keine molekulare Grundlage für ein ausgeglichenes Miteinander gibt.

Max-Planck-Gesellschaft, 17. März 2016

 

Originalpublikation:

Kei Hiruma et al. Root endophyte Colletotrichum tofieldiae confers plant fitness benefits that are phosphate status-dependent. Cell 165; April 7, 2016

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