Regionales Saatgut im Vorteil

Die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) zeigt ausgeprägte genetische Unterschiede zwischen Nord- und Süddeutschland und zusätzlich noch regionale Anpassung. © Walter Durka

Die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) zeigt ausgeprägte genetische Unterschiede zwischen Nord- und Süddeutschland und zusätzlich noch regionale Anpassung. © Walter Durka

Bunte, nicht so intensiv genutzte Wiesen und Weiden bieten wertvollen Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten, sind aber vielerorts sehr selten geworden. Um solche Biotope wieder aufleben zu lassen, müssen die Pflanzen oft eingesät werden. Forscher und Naturschützer plädieren in diesen Fällen für Saatgut aus der gleichen Region. Ökologen haben nun untersucht, wie sinnvoll dieser Ansatz ist, und kamen zu dem Schluss, dass Regio-Saatgut tatsächlich große Vorteile bietet.

Wenn Förster neue Bäume pflanzen, wählen sie schon lange kein beliebiges Saatgut mehr. Denn innerhalb jeder Art gibt es Varianten, die sich an die besonderen Herausforderungen ihres Lebensraums angepasst haben. Deshalb ist etwa auch Rotbuche ist nicht gleich Rotbuche. So vertragen etwa manche Vertreter der selben Art mehr Trockenheit als ihre Artgenossen und andere kommen besser mit harten Wintern zurecht. Daher ist in der forstlichen Praxis festgelegt, aus welcher Region das für eine bestimmte Pflanzung verwendete Saatgut stammen muss.

Glatthafer wiest regional relativ geringe Unterschiede auf, weil er vom Wind bestäubt wird und deshalb seine Erbinformationen über relativ weite Entfernungen austauschen kann.. © CC BY-SA 3.0

Glatthafer weist zwischen verschiedenen Regionen relativ geringe Unterschiede auf, weil er vom Wind bestäubt wird und deshalb seine Erbinformationen über relativ weite Entfernungen austauscht. © CC BY-SA 3.0

Bis vor wenigen Jahren gab es noch keine solche Regelung für das Bepflanzen von Kompensationsflächen, wie etwa bei dem Bau einer Autobahn. Das Forscherteam um Johannes Kollmann vom Lehrstuhl für Renaturierungsökologie an der Technischen Universität München hat nun drei Jahre Pflanzen untersucht und festgestellt, dass Saatgut aus dem heimischen Umfeld meistens besser geeignet war, als Mischungen aus benachbarten Regionen oder dem Ausland. Allein in den Jahren 2007 und 2008 hat Deutschland 13.000 Tonnen Gras- und 280 Tonnen Kräuter-Samen importiert. Dieses Saatgut ist oft nicht an die Bedingungen des Aussaatortes angepasst und kann daher mit sogenanntem Regio-Saatgut nicht mithalten.

Vorteile des Regio-Saatgut-Konzept überprüft

Doch wie sinnvoll ist das Regio-Saatgut-Konzept wirklich? Um diese Frage fundiert beantworten zu können, gab es bisher keine umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen. So war etwa nicht klar, wie groß die genetischen Unterschiede ein und derselben Art an verschiedenen Standorten sind. Geschweige denn, welchen Einfluss diese Variationen auf das Gedeihen der Pflanzen haben.

Das Forscherteam hat deshalb sieben häufige Wiesenpflanzen untersucht, die aus acht von 22 deutschen Herkunftsgebieten stammten. Dabei entdeckten sie genetische Unterschiede der verschiedenen Arten zwischen den Regionen. Dabei hängt das Ausmaß der Unterschiede von der Biologie der jeweiligen Pflanze ab.

Die Kuckucks-Lichtnelke dagegen, zeigt große genetsiche Unterschiede zwischen den Populatione, weil sie sich von Insekten bestäuben lässt. Das hat einen geringeren Genfluss zur Folge. © Aiwok. CC BY-SA 3.0

Die Kuckucks-Lichtnelke dagegen, zeigt große genetsiche Unterschiede zwischen den Populatione, weil sie sich von Insekten bestäuben lässt. Das hat einen geringeren Genfluss zur Folge. © Aiwok. CC BY-SA 3.0

Gräser, die vom Wind bestäubt werden und sich nicht selbst befruchten können, tauschen ihre Erbinformationen über relativ weite Entfernungen aus. Daher fanden die Forscher beim weit verbreiteten Glatthafer die geringsten genetischen Unterschiede zwischen den Regionen. Ein ganz anderes Bild bot sich dagegen bei der Kuckucks-Lichtnelke. Diese Art lässt ihren Pollen von Insekten verteilen – mitunter sogar zwischen Blüten der gleichen Pflanze. Zudem ist sie deutlich seltener als der Glatthafer. Das hat einen geringen Genfluss und damit große genetische Unterschieden zwischen den Populationen zur Folge.

Bei einigen Arten, wie etwa dem Weißen Labkraut, stellten die Forscher darüber hinaus einen deutlichen Trend fest: Je größer die Entfernung und je unterschiedlicher das Klima zwischen zwei Herkunftsregionen, umso deutlicher fallen auch die genetischen Unterschiede aus. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass diese Pflanzen regional angepasst sind. Sie kommen in der Nähe ihrer ursprünglichen Heimat besser zurecht als in anderen Teilen Deutschlands.

Weißes Labkraut. © Mussklprozz. CC BY-SA 3.0

Bei manchen Pflanzen, wie dem Weißen Labkraut gilt, je weiter die Entfernungen und je größer die Klimaunterschieden, desto deutlicher fallen auch die genetischen Unterschiede aus. © Mussklprozz. CC BY-SA 3.0

Wie stark sich diese genetischen Unterschiede auf das Wachstum der Pflanzen an unterschiedlichen Standorten auswirkt, untersuchte das Team im Rahmen einer zweiten Studie. Dazu säten die Forscher die sieben Arten aus den acht Regionen in Freising, Tübingen, Halle und Münster aus und beobachteten, wie gut sie jeweils wuchsen und wann sie blühten. Ihr Fazit: Die regionalen Gewächse lieferten im Schnitt sieben Prozent mehr Biomasse und zehn Prozent mehr Blütenstände als Artgenossen, die aus anderen Gegenden stammten. Deshalb plädieren die Forscher dafür regionale Genotypen unbedingt zu erhalten.

Auch bei Klimawandel im Vorteil

Auch die ungewöhnlich hohen Temperaturen im Versuchs-Sommer 2013 änderten daran nichts. Kritiker des Regio-Saatgut-Konzepts argumentieren, dass es in Zeiten des Klimawandels nicht zukunftstauglich sei: Angesichts der steigenden Temperaturen könnten sich Pflanzen aus dem Süden womöglich besser behaupten. Dafür fanden die Forscher jedoch keine Hinweise. Obwohl die Temperaturen in den Versuchsgärten im Jahr 2013 um 1,5–2,0 Grad über dem langjährigen Mittel lagen, waren die Pflanzen aus wärmeren Regionen nicht im Vorteil. Das könnte daran liegen, dass nicht alleine die Temperatur für das Wachstum ausschlaggebend ist. Sondern auch die Tageslänge oder die Zusammensetzung der Mikroben-Gemeinschaften am jeweiligen Standort können eine wichtige Rolle spielen. Und wenn die regionalen Pflanzen an solche Faktoren besser angepasst sind, können sie ihren Vorteil offenbar in warmen Jahren ausspielen.

Technische Universität München, 21.03.2016

 

Originalpublikation:

Durka W, Michalski SG, Berendzen KW, Bossdorf O, Bucharova A, Hermann JM, Hölzel N, Kollmann J (2016): Genetic differentiation within multiple common grassland plants supports seed transfer zones for ecological restoration. Journal of Applied Ecology, DOI: 10.1111/1365-2664.12636

Bucharova A, Michalski SG, Hermann JM, Heveling K, Durka W, Hölzel N, Kollmann J, Bossdorf O (2016): Genetic differentiation and regional adaptation among seed origins used for grassland restoration: lessons from a multispecies transplant experiment. Journal of Applied Ecology, DOI: 10.1111/1365-2664.12645

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