Permafrostböden könnten für abrupten Anstieg von Treibhausgasen am Ende der letzten Eiszeit verantwortlich sein

Thermokarst Thermokarst-Senke mit kleinem Thermokarst-See auf der Bykovsky-Halbinsel, sibirische Arktis. © Alfred-Wegener-Institut / Thomas Opel

Thermokarst
Thermokarst-Senke mit kleinem Thermokarst-See auf der Bykovsky-Halbinsel, sibirische Arktis. © Alfred-Wegener-Institut / Thomas Opel

Wissenschaftler haben eine mögliche Quelle identifiziert, aus der vor etwa 14.600 Jahren Kohlendioxid (CO2) und andere Treibhausgase abrupt und in großen Mengen in die Atmosphäre gelangten. Das CO2 – freigesetzt in der Bølling/Allerød Warmphase – stammte dieser neuen Interpretation zufolge vermutlich aus auftauenden arktischen Permafrostböden und verstärkte durch positive Rückkopplung die bereits begonnene Erwärmung.

Einer der abruptesten Anstiege des Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre fand am Ende der letzten Eiszeit vor ungefähr 14.600 Jahren statt. Eiskerndaten zeigen, dass der CO2-Gehalt damals innerhalb von 200 Jahren um mehr als 10 ppm* zunahm. Diese CO2-Zunahme fiel mit etwa 0,05 ppm pro Jahr deutlich geringer aus, als der im letzten Jahrzehnt durch fossile Brennstoffe verursachte aktuelle Anstieg des atmosphärischen CO2 Gehalts von 2-3 ppm pro Jahr. Er würde in zweihundert Jahren 400 bis 600 ppm entsprechen. Diese Daten beschreiben eine abrupte Änderung im globalen Kohlenstoffkreislauf während des Übergangs von der letzten Eiszeit in die heutige Warmzeit und erlauben Rückschlüsse auf ähnliche Prozesse, die sich in Zukunft abspielen könnten.

Um herauszubekommen wo das Treibhausgas herkommen könnte, hat ein Team um die Geo- und Klimaforscher Peter Köhler und Gregor Knorr vom Alfred-Wegener-Institut Computersimulationen durchgeführt, um die CO2-Daten neu zu interpretieren. Anlass für diese Berechnungen waren neue Erkenntnisse über das Alter des in die Atmosphäre eingetragenen CO2. Mit diesen Kenntnissen kann man ermitteln, woher der Kohlenstoff stammen könnte.

Steilwand aus Eis und Sedimenten Eine 35 Meter hohe Steilwand aus Eis und gefrorenen Sedimenten, fotografiert auf der Insel Sobo Sise im Lena Delta, Sibirien. Foto: Alfred-Wegener-Institut / Thomas Opel

Steilwand aus Eis und Sedimenten
Eine 35 Meter hohe Steilwand aus Eis und gefrorenen Sedimenten, fotografiert auf der Insel Sobo Sise im Lena Delta, Sibirien. © Alfred-Wegener-Institut / Thomas Opel

„Der gegen Null gehende Anteil von Radiokohlenstoff im CO2, das in die Atmosphäre freigesetzt wurde, zeigt uns, dass der Kohlenstoff sehr alt gewesen sein muss“, sagt Köhler. Der Kohlenstoff könne daher nicht aus der Tiefsee stammen, denn, so Köhler weiter: „Der in der Tiefsee gespeicherte Kohlenstoff steht über eine Dauer von Jahrtausenden im Austausch mit der Atmosphäre, in der 14C durch die Einwirkung kosmischer Strahlung entsteht.“ Radiokohlenstoff ist instabil und zerfällt mit einer Halbwertszeit von etwa 5.700 Jahren. Die Zusammensetzung der Atmosphäre von CO2 und 14C lässt sich nur erklären, wenn man davon ausgeht, dass der Kohlenstoff von einer Quelle stammt, die nahezu kein 14C mehr enthält – die Treibhausgase müssen also aus einer anderen Quelle als der Tiefsee herrühren.

Solch eine mögliche Quelle für atmosphärischen Kohlenstoff sind Permafrostböden. Sie enthalten zum Teil sehr altes organisches Material, das beim Auftauen der Böden Treibhausgase wie CO2 und Methan freisetzt. Damals tauten die arktischen Permafrostböden auf, weil plötzlich der weitreichende atlantische Wärmetransport im Ozean ansprang und so die Bølling/Allerrød-Warmphase einleitete.

Die Forscher haben ein Computermodell entwickelt, das den globalen Kohlenstoffkreislauf simuliert. Damit konnten sie die Menge des in die Atmosphäre abgegebenen Kohlendioxids abschätzen. Demnach ist eine Zunahme um mehr als einer halben Gigatonne* Kohlenstoff pro Jahr über zwei Jahrhunderte notwendig, um die beobachteten Daten zu erklären. Das entspricht einer Gesamtmenge von mehr als 100 Gigatonnen Kohlenstoff. Die heute vom Menschen verursachten CO2-Emissionen sind mit etwa zehn Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr mindestens um einen Faktor zehn größer, als die damals auf natürliche Weise freigesetzten Kohlenstoffmengen.

Permafrost Regionen auf der Nordhalbkugel Rund ein Viertel der Landoberfläche auf der Nordhalbkugel ist dauerhaft gefroren. Diese Permafrostregionen werden von Wissenschaftlern in Gegenden mit (1) kontinuierlichem Permafrost, (2) diskontinuierlichem oder unstetem Permafrost oder (3) vereinzeltem Permafrostaufkommen eingeteilt - je nachdem, welch größer Anteil der Landfläche wirklich gefroren ist. © Hugues Lantuit, Alfred-Wegener-Institut

Permafrost Regionen auf der Nordhalbkugel
Rund ein Viertel der Landoberfläche auf der Nordhalbkugel ist dauerhaft gefroren. Diese Permafrostregionen werden von Wissenschaftlern in Gegenden mit (1) kontinuierlichem Permafrost, (2) diskontinuierlichem oder unstetem Permafrost oder (3) vereinzeltem Permafrostaufkommen eingeteilt – je nachdem, welch größer Anteil der Landfläche wirklich gefroren ist. © Hugues Lantuit, Alfred-Wegener-Institut

Das Auftauen großer Permafrostgebiete, verbunden mit einem Anstieg der Treibhausgase, fand laut der Studie zur gleichen Zeit statt, wie die nordhemisphärische Klimaerwärmung zu Beginn der Bølling-Warmzeit. Dabei könnten die freigesetzten Treibhausgase die anfängliche Erwärmung durch Rückkopplungseffekte verstärkt haben.

Ein ähnlicher Effekt wird im aktuellen Bericht des Weltklimarates (IPCC) auch für die Zukunft erwartet. Die Erwärmung beispielsweise in Sibirien führt schon heute zum Auftauen von Permafrostböden: Mit der Folge, dass CO2 und Methan ausgasen. Dieselben Prozesse, die heute beobachtet – und in noch stärkerem Maße in den kommenden Jahrzehnten erwartet werden – haben vermutlich in ähnlicher Weise bereits vor 14.600 Jahren stattgefunden. „Allerdings ist der Klimazustand der Erde heute bereits durch anthropogen emittierte Treibhausgase verändert. Die zukünftige CO2-Freisetzung aus dem prognostizierten Auftauen von Permafrost ist deutlich geringer, als der Eintrag durch fossile Brennstoffe. Diese Emissionen aus Permafrostböden sind jedoch zusätzliche Treibhausgasquellen, die den anthropogen verursachten Effekt noch verstärken“, sagt Köhler.

Hintergrund
Der von den Wissenschaftlern untersuchte abrupte CO2-Anstieg vor etwa 14.600 Jahren war einer von drei schnellen Schwankungen im Kohlenstoffkreislauf. Er fand während des Übergangs von der letzten Eiszeit in die jetzige Warmzeit statt, wie amerikanische Kollegen (Marcott et al.; doi:10.1038/nature13799) mittels neuer CO2-Daten an einem Eiskern in der Westantarktis gezeigt haben. Da aber CO2-Analysen an Eiskernen durch den Einschlussprozess der Gase im Eis immer nur eine gemittelte Version des atmosphärischen Signals enthalten, ist die genaue Größe des CO2-Pulses noch mit Unsicherheiten behaftet. Dennoch lässt sich klar abschätzen, dass während dieser abrupten CO2-Anstiege die entsprechenden Änderungsraten im atmosphärischen CO2 deutlich geringer waren, als die durch fossile Brennstoffe verursachten Raten im atmosphärischen CO2 von etwa 2-3 ppm pro Jahr, die wir heute erleben.

* parts per million – Teile pro Millionen, Maßeinheit für die Zusammensetzung von Gasen

* 1 Gigatonne = 1 Petagramm = 1015 Gramm

Alfred-Wegener-Institut, 20. November 2014

 

Originalpublikation:
Peter Köhler, Gregor Knorr und Edouard Bard (2014): Permafrost thawing as a possible source of abrupt carbon release at the onset of the Bølling/Allerød. Nature Communications 5:5520; DOI: 10.1038/ncomms6520

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